- 36 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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des ›Phaëton‹ gedruckt steht, lässt sich das damalige Druckverhältnis leicht absehen: neun Partituren ›gravé‹, zehn ›imprimé‹.19
19Das Verzeichnis findet sich vollständig bei [Chrysander(1879), Sp. 231] abgedruckt. Teilweise wurden auch beide Verfahren benutzt. Der Kupferstich galt i.A. als eleganter. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, am Anfang eines Aktes die Szene mit einem kleinen Bild darzustellen.
Aufgrund des auf den Typendruck beschränkten Monopols des Hauses ›Ballard‹ stachen viele Komponisten um den Lizenzgebühren zu entgehen ihre Werke lieber selbst und brachten sie im Eigenverlag heraus.

Dasselbe tat auch J.S. Bach in Leipzig. Nachdem er dort Organist geworden war, veröffentlichte er 1731 den ›Opus I‹ seiner ›Clavierübung‹ in vier Teilen. Selbst gestochen hat er nachweislich nur den ›Opus III‹. Der vierte Teil kam schließlich auch bei einem anderen Verleger (Balthasar Schmid) in Nürnberg heraus. Bachs ›Kunst der Fuge‹ wurde in Berlin gestochen und war noch nicht vollendet, als er 1752 starb. Da sie keinen großen Absatz fand – es wurden nur 60 Exemplare in 10 Jahren verkauft – und niemand die Druckplatten kaufen mochte, entschloss sich Bachs Sohn Philipp Emanuel die Platten einzuschmelzen.

In Holland, das weitgehend von den gravierenden Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) verschont blieb, fanden sich zahlreiche Kupferstecher, die bis dahin nur Bilder niederländischer Maler vervielfältigten und den Notendruck als lukrative Einnahmequelle entdeckten. Hierbei handelte es sich aber hauptsächlich um den Nachdruck fremder Musik, die zum großen Teil exportiert wurde.

3.5.  Zinndruck und Lithographie

Eine wesentliche Neuerung der Entwicklung des Kupferstichs fand in England statt. England bildete das Hauptabsatzgebiet für die holländischen Drucker. Seit der Einrichtung einer italienisch-englischen Opernbühne im Jahre 1706, wuchs der Bedarf an gedruckten Noten ständig und das Verlangen nach einer neuen Druckart wurde 1720 mit Gründung der ›Royal Academy of Music‹ in London noch größer, zumal bei der Eröffnung von den damaligen großen Sängern und Instrumentalisten Werke lebender Komponisten aufgeführt wurden. Der Bedarf an neuer Musik war so groß, »dass die bisherige Weise, dieselbe zum Druck zu bringen, unerträglich wurde.«20

20[Chrysander(1879), Sp. 243].

Zwei Persönlichkeiten des englischen Druckergewerbes standen sich in großer Konkurrenz gegenüber. Zum einen der Notenstecher John Cluer, der für Händel arbeitete und zweifelsfrei damals der beste Stecher in London war. Auf der anderen Seite stand der Musikalienhändler John Walsh, dessen Bemühen um Verbesserung des Stichs schließlich auch mit Erfolg belohnt werden sollten. Dass es sich bei dem am 30. Oktober 1724 erschienenen Werk des Komponisten Dr. William Croft ›Musica sacra: or, Select Anthems in Score‹ um etwas Neues handelt, geht schon aus der unüblichen Vorrede des Komponisten hervor:21

21Zitiert nach [Chrysander(1879), Sp. 243], der den Text wie folgt übersetzt: »Weil dies die erste Veröffentlichung ist von englischer Kirchenmusik in einer neuen Druckweise, möge es nicht unpassend erscheinen, einige Vortheile derselben anzuführen, die sowohl für die Werke wie für ihre Aufführung daraus entstehen, dass die Musik in einer vollständigen und correcten Partitur erscheint«.


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