Kugelschreiber.
Hardware wird immer schneller, billiger und kleiner. Und dadurch erfindet sich
die ganze IT-Branche ständig neu. Das bedeutet aber auch, das wir alle paar
Jahre wieder anders über Computer denken. Es ist eine ständige Evolution,
ein steter Wechsel der Paradigmen. Das heißt, wir stellen unsere Gedanken,
Werte, Anforderungen ständig um, und das, was heute noch Standard ist, muss
morgen schon wieder neu definiert werden. Die Welt, in der wir heute leben, ist
digital und wer keinen Internetanschluss hat, gehört nicht dazu. Digital ist zum
Schlagwort geworden, zur Glaubenssache, deren Sinn und Zweck nicht mehr zu
hinterfragen ist. Unsere Gesellschaft lässt sich in gewisser Weise ihren Fortschritt
diktieren.
Der Wandel zur digitalen Technologie stellt, wie im Eingangszitat der vorliegenden
Arbeit beschrieben, eine »einzigartige Periode in der Geschichte der Menschheit« dar.
Fast scheint es, als hielten wir selbst unsere Epoche nicht für wichtig genug, um
unser Wissen für die Nachwelt zu erhalten. Ein warnendes Beispiel für solche
Gedankenlosigkeit liegt gerade einmal 10 Jahre zurück. Damals war das gängigste
Speichermedium für Heimcomputer die Floppy-Disk. Hätte jemand sein Testament nur
auf einer Floppy-Disk hinterlassen, so wäre es wertlos, denn seine Erben würden
heute keinen passenden Computer mehr finden, um das Testament lesen zu
können.
Begeistert von der Digitalisierung verdrängt man heute erfolgreich eines der größten
Probleme: Das schwarze Loch des digitalen Daseins. Experten warnen schon heute vor
einem kollektiven Gedächtnisverlust, wenn wir keine Ansätze finden, das Problem der
Langzeitarchivierung zu lösen. Wir bauen das Gedächtnis unserer Zeit auf Sand und
riskieren, irgendwann von der technologischen Entwicklung weggespült zu werden – wir
produzieren in eine historische Leere hinein.
Zwar ist nicht alles aus einer Epoche erhaltenswert, aber Ausgewähltes aufzuheben
hilft späteren Generationen, ihre Geschichte zu begreifen. In jeder Epoche seit Erfindung
der Schrift gab es aus diesem Grund vertrauenswürdige Personen mit der besonderen
Aufgabe, ihrer Nachwelt das zu erhalten, was von ihrer Gesellschaft als wichtig erachtet
wurde. Archivare waren sehr angesehene Menschen, ihr Beruf war von Stetigkeit und
Ruhe gekennzeichnet. Sie schützten die Bestände vor Brand, Überschwemmungen und
Kriegen. Könige und Fürsten bauten prachtvolle Bibliotheksgebäude, denn sie wussten,
wenn eine Kultur ihre Bücher und Schriften und damit ihr Gedächtnis verliert, verliert
sie ihre Identität.
Heute, im digitalen Zeitalter, kommt die Bedrohung wie eine heimtückische
Krankheit von innen. Denn die zunehmende Zahl an elektronischen Medien
macht den Beruf der Archivare zu einem nervenaufreibenden Job. Bereits jetzt
verschwinden EDV-Daten aus den 70er Jahren in einer technologischen Lücke. Sie
sind da, aber nicht mehr lesbar. Denn was verloren geht, ist die Bedeutung,
der Code, der Nullen und Einsen zu einem Sinn zusammenfügt und unsere
gigantischen digitalen Datensammlungen zu einem bewahrenswerten Schatz
macht.
Die erfolgreiche Enträtselung der 2000 Jahre alten Hieroglyphen lässt etwas von den
Problemen erahnen, die kommende Generationen mit unseren digitalen Daten haben. Bis
allerdings eine optimale Lösung zur langfristigen Speicherung gefunden ist, produzieren
wir munter immer weiter Content, allerdings in eine ungewisse Zukunft hinein in der
Hoffnung, das was uns wichtig ist vor dem totalen Verschwinden retten zu können. Es ist
gerade das Wissen um die Vergangenheit, das einer Gesellschaft |