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Informationen über das alte Betriebssystem und somit die Beteiligung der Hardware-Hersteller benötigt. Da aber detaillierte Informationen bzw. Spezifikationen oft noch in den aktuellen Systemen verwendet werden, geben Hardware-Hersteller diese oft nicht preis. Wenn mehrere Emulationen durchlaufen werden, treten meistens Kompatibilitätsprobleme auf. Durch die verschiedenen Versionsunterschiede ist eine Lauffähigkeit der Software dann nicht unbedingt mehr zu garantieren. Praxiserfahrungen in Bezug auf Langzeitarchivierung durch Emulatoren gibt es noch nicht, dennoch scheint die Emulation immer noch die beste Möglichkeit zu sein, Computergenerationen der Vergangenheit wiederzubeleben. Professionell wird sie bereits seit Jahren benutzt, um den Datenschwund so gering wie möglichst zu halten.

Bei dem Prinzip der Archäologie geht es darum, ausschließlich zu archivieren. Vom Prinzip her handelt es sich hier um ein riesiges Computermuseum, in dem alle bisherige und zukünftige Hard- bzw. Software sowie Speichermedien archiviert werden. Bei der digitalen Archäologie werden auch Informationen über die Hard- bzw. Software gespeichert, so dass Daten auf einem veralteten Medium später wieder zugänglich gemacht werden können. Genauso, wie heute Skelette von Dinosauriern rekonstruiert werden können, kann man dann später Hard- oder Software rekonstruieren – mit der Ausnahme, dass die Einzelteile nicht erst gesucht werden müssen – und verloren geglaubte Informationen durch das aufbewahrte Wissen zugänglich gemacht werden können. Als nachteilig erweist sich bei dieser Methode der immense Speicherplatz, der zum Aufbewahren der Hardware nötig ist. Außerdem sind Rekonstruktionen nicht immer erfolgreich, so dass eine gründliche Kosten-Nutzen-Überlegung angestellt werden muss.

Zurzeit arbeiten Wissenschaftler an der Entwicklung eines Digital Rosetta Stone. Diese Methode ist die wohl älteste bekannte Archivierungsmethode und geht auf eine Steinplatte zurück, die 1799 von napoleonischen Soldaten gefunden wurde. Neben altägyptischen Hieroglyphen, die zu der damaligen Zeit niemand verstand, waren auf der Platte noch griechische Buchstaben eingraviert, die schnell übersetzt werden konnten. Unter anderem besagten sie, dass alle drei Texte der Tafel identisch sein. Der ca. 2000 Jahre alte Stein von Rosetta war somit eine einzigartige Übersetzungshilfe für die Schrift der Pharaonen, eine weltweite Sensation. Der französische Ägyptologe Jean-François Champollion entschlüsselte schließlich die geheimnisvollen Zeichen des alten Ägyptens. Ihm ist es zu verdanken, dass eine Sprachkluft von ungefähr 2000 Jahren überbrückt werden konnte.

Ein neuer ›Rosetta Stone‹, der Dokumente sicher über zehntausend Jahre speichern kann, wurde von Jim Mason entwickelt. Er entwarf die moderne ›Rosetta Disk‹, eine Weiterentwicklung des antiken Vorbilds. In jede Scheibe brannte er ein zentrales Übersetzungsfeld, das erste Kapitel des alten Testaments übersetzt in sieben Sprachen. Wie ihr Vorbild ist die ›Rosetta Disk‹ ein analoges Speichermedium – allerdings auf Hightech-Basis. Der Text wird in Miniatur in die Scheiben eingraviert. Dazu wird die Nickeloberfläche der Scheiben mit atomfeinen Gallium-Ionen beschossen, die in einem Magnetfeld derart beschleunigt wurden, dass sie wie Meteoriten zielgenau einschlagen und ein unzerstörbares, scharfes Schriftbild erzeugen. Auf eine Scheibe passen so ca. 30.000 DIN-A4 Dokumente. Vorteilhaft erweist sich, dass die Platte mit einem einfachen Mikroskop gelesen werden kann. Sie ist


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