verändern wird. Der Zuschauer erfährt allerdings nichts Näheres über die beteiligten
Personen. Aus diesem Grund kann hier nicht von einer Einleitung gesprochen
werden.
Im 1. Teil, der in gewisser Weise als Einleitung fungiert, wird Julie im Krankenhaus
gezeigt. Aus ihrer Sicht erscheint der ins Zimmer kommende Doktor verschwommen, und
mit einer extrem großen Detailaufnahme von Julie’s Auge, in der sich der Doktor spiegelt,
erfährt der Zuschauer vom Tod ihres Mannes Patrice. Auf diese Art und Weise erhält
der Zuschauer eine wichtige narrative Information und erlebt aus ungewöhnlicher Nähe
ihre Reaktion. Fast noch schlimmer treffen sie die Worte des Arztes: »Ja, ihre Tochter
auch.«3 Plötzlich durchbricht
ein lautes Klirren4
4
Nach dem Krachen beim Unfall (Einstellung 20) das zweite außergewöhnlich laute
Geräusch, dass den Zuschauer erschrecken lässt.
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die gedämpft-depressive Stimmung. Julies erster Versuch, dem Geschehen zu entgehen
und sich mit den Tabletten aus dem eingeschlagenen Schrank umzubringen,
scheitert, da ihr Wille zum Leben zu stark ist. In der dritten Sequenz tritt Olivier
zum ersten Mal auf und bringt Julie einen Mini-Fernseher, damit sie sich die
Beerdigung ansehen kann. Erst an dieser Stelle erfährt der Zuschauer, dass
Julies Mann Patrice ein sehr bekannter Komponist war und ein unvollendetes
Konzert zur Vereinigung Europas hinterlassen hat. Ihre Trauer wird noch einmal
besonders in der Einstellung 59 deutlich, als sie mit dem Finger vorsichtig den
Bildschirm berührt, auf dem gerade der Sarg ihrer Tochter Anna zu sehen
ist.5
5
»Der intimste Moment beim Filmen war für mich die Szene im Krankenhausbett,
wenn Julie auf dem winzigen Fernseher die zwei Särge anschaut. Nur der Kameramann,
die Kamera und ich waren im Raum, der Rest des Teams am Video-Monitor. Das Gefühl
der Verlassenheit und der Freiheit – in diesem Augenblick habe ich es ganz stark
empfunden.« Juliette Binoche zit. nach dem Presseheft, das zu Blau vom Concorde
Filmverleih (München) herausgegeben wurde.
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Unter
den Anwesenden bei der Beerdigung ist auch Julies Mutter, die in Einstellung 64 zum ersten
Mal gezeigt wird. Noch ehe Julie das Krankenhaus verlassen kann, erlebt sie den ersten
»Einbruch«.6
6
Auf diese »Einbrüche« wird noch ausführlich im Abschnitt 4.1.3.2 eingegangen.
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Kurz bevor eine Journalistin sie mit der unangemessenen Frage behelligt, ob es stimme, dass
sie das Konzert komponiert habe, überfällt sie die Musik, getaucht in blaues Licht, wie ein
Schub.7
In dieser Einleitung wird dem Zuschauer klar, worum es in dem Film geht:
Um eine Frau, die durch einen tragischen Unfall ihren Mann und ihre Tochter
verloren hat und versucht, mit diesem Verlust umzugehen. »Julie leistet
im Verlauf des Films Trauerarbeit, die Bewältigung des Verlustes ihrer
Familie«8
und durchlebt in dieser Einleitung die ersten Phasen: zuerst eine Art Lähmung, da sie
den Verlust nicht wahrhaben möchte, dann folgt ein Wechselbad aus starken Emotionen
(ihr Versuch sich umzubringen und der »Einbruch«).
Im 2. Teil wird ein erster Versuch Julies gezeigt, ihr Leben wieder in den Griff zu
bekommen. Sie beschließt, ihr Haus und einen Großteil ihres Besitzes zu verkaufen. Ein
paar persönliche Dinge nimmt sie allerdings mit, am auffälligsten ist der blaue Leuchter,
den sie später in ihrer neuen Wohnung aufhängen wird. Bevor sie das Haus endgültig
verlässt, bittet sie Olivier, abends vorbeizukommen, um mit ihm
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