Noch ausführlicher geht de la
Motte-Haber26
auf syntaktische Funktionen ein, die nicht nur strukturierend innerhalb einer Szene
wirken, sondern auch die Rolle der Musik in Bezug auf den kompletten Film und dessen
Montage beschreiben. Dabei haben folgende Funktionen in erster Linie filmgliedernden
Charakter:27
- Musikeinsatz als Verdeutlichung eines Sequenzabschlusses.
- Musikeinsatz als Verdeutlichung eines Schnitts.
- Musik als Verdeutlichung von Überblendungen.
- Musik als Verdeutlichung von Rückblenden.
Folgende Funktionen lassen sich in erster Linie aus der Montage ableiten:
- Musik als Entschärfung von Montagen und Schaffung von inhaltlichen
Zusammenhängen.
- Musik als akustischer Zusammenhalt von zwei Sequenzen.
- Musik als Anpassung an den Wechsel von Zeit, Ort und [zur] Handlung und
Schaffung von Kontinuität.
- Musik als syntaktische Weiterführung und Integration zweier Sequenzen
durch Anpassung an Geräusche.
- Musik als syntaktische Verbindung zwischen zwei Sequenzen mit Wechsel
von Ort, Zeit und Handlung durch wechselnde Melodik über gleichbleibender
Harmonik als Mittel der Kontrastminderung.
Es stellt sich also heraus, dass der Film keine rein visuelle Kunst ist. Obgleich Musik ein
nachgeordnetes Mittel ist, auf das auch – besonders in der heutigen reizüberfluteten Zeit
– effektvoll verzichtet werden kann, ». . . , wird sie durch die Selbstverständlichkeit,
mit der sie in den formalen Zusammenhang einzugreifen vermag, mit der sie
syntaktische Funktionen übernimmt, zu mehr als bloß überflüssigem Zierat. Musik
determiniert Strukturen des Films, indem sie der Wahrnehmung eine Struktur
aufprägt.«28
Musik schafft also durch das Gliedern oder Verknüpfen der verschiedenen filmischen
Einheiten strukturelle Zusammenhänge.
Die drei hier kurz vorgestellten Funktionen von Filmmusik (dramaturgisch-inhaltliche
Funktionen, psychologische Funktionen und syntaktische Funktionen) sind bei weitem
nicht die einzigen, doch liefern sie gute, auf verschiedenen Ebenen ansetzende
Anhaltspunkte für die Analyse. Bei der konkreten Analyse der Filme Kie lowskis wird
sich zeigen, dass Filmmusik im selben Ausschnitt oft auf mehreren Ebenen
(dramaturgisch-inhaltlich, psychologisch, syntaktisch...) und zugleich mit den
anderen dramaturgischen Ebenen des Films (Bildinhalte, Bildbewegung,
Farben, Dialog, Geräusche usw.) wirkt. In diesem Sinne schlussfolgert Maas:
»Und gerade das zeichnet raffinierte Filmmusik aus: Sie begnügt sich nicht
damit, daß sie eine einzige Funktion erfüllt, sondern sie ist mehrschichtig
angelegt.«29
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