- 64 -Wolff, Harry: Musikmarkt und Medien unter dem Aspekt des technologischen Wandels  
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Auch dürfte nach Münker dem Hersteller der nach dem Schutzzweck des § 85 UrhG erforderliche Nachweis einer meßbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung überaus schwer fallen.

Die geschilderten Probleme, die sich im Fahrwasser der noch neuen, zunehmend verwendeten Technologie »Digital Sampling« ergeben, werden unter Musikern und Juristen gleichermaßen kontrovers diskutiert. Während die Urheber und die Leistungsschutzberechtigten bzw. die am Entstehungsprozeß und der wirtschaftlichen Auswertung des Originalwerks beteiligten sozio-musikalischen Gruppen eine Haltung der natürlichen Feindschaft dem Sampling gegenüber einnehmen und selbstverständlich am Gewinn dieser Neuproduktionen beteiligt werden wollen, möchten jene Musiker und Produzenten, die die Sampling-Technologie nutzen, diese als eine neue, aktuelle und phantasievolle Ausdrucksform der musikalischen Gegenwart verstanden wissen und den Urhebern der gesampelten Originalwerke keinen Vergütungsanspruch zugestehen. »Manche halten Sampling sogar für das Gegenstück der Postmoderne in der bildenden Kunst« (Klein 1992, 585).

Der Standpunkt, daß es sich beim Sampling um eine neue zeitgemäße Ausdrucksform handelt, die kreativ angewendet werden kann, erscheint mir grundsätzlich richtig zu sein. Ich denke hierbei an einige gelungene Produktionen der in den achtziger und frühen neunziger Jahren entstandenen Musikstile »Hip-Hop«, »House«, »Trance«, »Trip-Hop« etc., die ohne Sampling nicht vorstellbar sind. Indes entbindet meines Erachtens auch die kreative Anwendung der aus Fremdkompositionen gesampelten Musikausschnitte nicht von der Beteiligung der tatsächlichen Urheber – in einer rechtlich noch zu definierenden Form – an dem aus der jeweiligen Neuproduktion erzielten Gewinn. Dies könnte beispielsweise in der Art stattfinden, daß die Nutzer den Urhebern eine Grundgebühr zahlen, zuzüglich eines Aufschlags, der wie bei der Abrechnung von Filmmusik nach der Dauer in Sekunden bemessen sein könnte. Überdies könnte auf jedes Sampling-Gerät und jede Sampling-Software ebenfalls eine Gebühr erhoben werden, die entsprechend der Dauer genutzter Werkteile auf die Urheber verteilt wird und vom Käufer getragen werden muß. »Schließlich wird die Meinung vertreten, wonach aufgrund der technischen Möglichkeiten jede Musikaufnahme frei verfügbar sein sollte. Jeder Komponist müßte es sich sozusagen im Rahmen des künstlerischen Wettbewerbs gefallen lassen, daß seine Aufnahme von anderen Produzenten aufgegriffen und in neuen Produktionen eingesetzt wird. Allein dem Publikum sei es dann zu überlassen, ob das Original oder die Neuproduktion mehr Gefallen findet« (ebd.).

Dieser von Klein angeführte Standpunkt, der von einem Teil jener Produzenten und Musiker vertreten wird, die die Sampling-Technologie nutzen, entbehrt nicht einer gewissen Absurdität. Wie kann es sein, daß der Kopist einer bereits komponierten Musik, den gleichen Rang einnimmt wie der Urheber? Würde dieser Standpunkt bei allen Wirtschaftsbereichen zum allgemeinen Handlungsgrundsatz, hätte dies wohl eine komplette Demontage des bestehenden Wirtschafts- und Rechtssystems zur Folge. Auch die von Klein erwähnte Meinung, die erfolgreichere Version eines Musikwerkes, in diesem Sinne also jene, die sich durch größere Massenkompatibilität auszeichnet, quasi als »besser« einzustufen, wird der Kunst nicht gerecht:


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