Diese Arbeit soll zeigen, daß die Modellierung musikalischer, insbesondere rhythmischer,
Prozesse mit dem Computer in mehrfacher Hinsicht Nutzen bringt:
- Die Entwicklung computergestützter Modelle
erfordert eine explizite Formulierung und eine vollständigere Modellbildung
als in der Musikwissenschaft und Musiktheorie üblich. Damit fördert sie die
Weiterentwicklung musiktheoretischer Konzepte und Methoden.
- Computergestützte Modelle musikalischer Prozesse können dazu dienen,
musiktheoretische oder musikpsychologische Hypothesen empirisch zu
überprüfen.
- Die Entwicklung intelligenter musikalischer Anwendungen bietet neue
Möglichkeiten für die Musikproduktion, das Musizieren und das Lernen und
Lehren von Musik.
- Die Verarbeitung musikalischer Strukturen stellt auch eine Herausforderung
an die Informatik dar. Dabei treten interessante und schwierige Probleme auf,
für die neue oder speziell angepaßte Verfahren entwickelt werden müssen.
1.3. Wissensbasierte und lernende Modelle
Die Modellierung musikalischer Prozesse kann man, zumindest im weiteren Sinne,
zum Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zählen. In der KI wird zwischen
wissensbasierten und lernenden Modellen unterschieden. Erstere lösen Probleme auf
der Basis explizit formulierter Darstellungen von Wissen, z.B. in Form von
Fakten und Regeln in einem PROLOG-Programm. Letztere lösen Probleme
durch Lernen, z.B. durch Anpassung eines neuronalen Netzes an vorgegebene
Beispiele.
Da die vorhandenen Theorien für ein wissensbasiertes Modell rhythmischer
Wahrnehmung nicht ausreichen, liegt es nahe, ein lernendes Modell zu entwickeln. Ein
solches Modell könnte aus Informationen lernen, die aus dem Verhalten oder der
Befragung von Experten, wie z.B. Musikern oder Musikwissenschaftlern gewonnen
werden. Wenn musikalische Experten auch meistens nicht genau erklären können, wie
eine bestimmte Wahrnehmung oder Interpretation zustande gekommen ist, so können sie
doch ihre musikalische Auffassung formulieren und wahrgenommene Strukturen
beschreiben. Ein lernendes Analysesystem sollte solche Informationen auswerten und
seine Analysen entsprechend anpassen.
Künstliche neuronale Netze sind die verbreitetste Form lernender Systeme und können
für diesen Zweck eingesetzt werden. Die Entwicklung neuronaler Netze wurde
ursprünglich durch biologische Nervennetze inspiriert. Heutzutage werden sie aber eher
als praktische Anwendung statistischer Modelle angesehen. Das Lernen neuronaler Netze
durch Training kann als die statistische Auswertung von Daten interpretiert
werden. Neuronale Netze können daher als ein methodisches Bindeglied zwischen
der computerbasierten Anwendung und den statistischen Untersuchungen der
Musikpsychologie angesehen werden.