- 85 -Volkwein, Barbara: What´s Techno 
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wichtige zeitgeschichtliche Dokumente«, die jedoch über die sogenannte Illuminationsphase musikalischer Handlungen nur geringen Aufschluss zu geben vermögen:

»Die Idee, das musikalische Motiv ist in der Regel plötzlich da. Hinsichtlich der weiteren Arbeitsschritte bzw. -phasen bestätigt sich aber die Annahme, dass musikalische Produktionshandlungen hochgradig durch die Wechselbeziehung von Individuum und Gesellschaft bestimmt werden.«49

49 Bruhn / Rösing. Komposition. A.a.O., S. 516.

Gemeint sein könnten weitere Komponenten die neben dem vorgegebenen Funktionalitätsrahmen die Klangvorstellungen maßgeblich beeinflussen: »Mike Ink. sammelt seine Schallplatten, stürzt sich nur zu gerne in die jeweils geltende Techno-Semantik und verfolgt jeden Schritt seiner Schattenbilder. Und er weiß, wie man eine Wirkung konstatiert, ohne sie manipulieren zu können«, heißt es bei Kösch.50

50 Kösch über Mike Ink in: Kösch, Sascha. Mike Ink. In: Anz, Philipp / Walder, Patrick (Hrsg.): Techno. A.a.O., S. 49.
Diese Aussage zeigt auf, dass auch Techno-Macher bestimmte, vorgegebene Regeln beherrschen und verinnerlicht haben müssen: Neben den schon benannten gezielten Wirkungen von Techno beeinflussen die Hörerfahrungen der Rezipienten immer, wenn auch unwillkürlich, die Klangvorstellungen der Musiker. (Hier sei angemerkt, dass der Musiker immer auch Hörer ist.) Zugleich kennen die Klangkünstler die musikalischen Regeln von Technotracks verschiedener Ausprägungen und integrieren sie in ihre Musik. Wie diese letztendlich aussehen, ist im Kapitel über die musikalischen Charakteristika umfassend dargestellt. Aus der Übersichtstabelle geht hervor, dass bei Technotracks eine klare und zergliederbare Struktur sowie wieder erkennbare Klänge wesentlich sind. Schon bei der Konzeption des Klangmaterials weiß ein Musiker, dass zum Beispiel eine gute HiHat Anfang und Ende eines beim Publikum beliebten Technotracks sein kann. Andere Beispiele, die diesbezüglich Zeichen setzen, sind transparente Strukturen, einschätzbare Dauern der Tracks, prägnante HiHats aus der Roland TR 808 oder 909, die an bestimmten Stellen bei Tanzenden das Hochwerfen der Hände initiiert und nicht zuletzt gezielte Pausen, die das Publikum als Ruhe vor dem Sturm zum letzten emphatischen Höhepunkt eines Tracks wahrnimmt. Musiker wie Juan Atkins beherrschen laut Kuhn51
51 Kuhn. A.a.O., S. 31.
auf jeden Fall die Regeln, nämlich das Einbetten musikalischer Erfahrungen und der damit verbundenen musikalischen Erwartungen der Rezipienten in gleichförmige, Techno-typische Klang- und Rhythmusstrukturen. Ferner bewegt er sich als genauer Kenner immer in den Bahnen des typischen, minimalistischen Detroit-Techno. Obschon sich Atkins Musik seit den Anfängen der Techno-Ära kontinuierlich auf dem Markt behauptet und er sich als Routinier des Techno-Klang-Regelwerks beweist, enthalten viele seiner Tracks Klänge, die eigenwillig sind und aus dem konventionellen Rahmen fallen. Neben der Integration des Vorhandenen in die Klangvorstellungen für einen Technotrack entwickeln sich in den Köpfen der Produzenten Ideen über die Beschaffenheit von Längen und Strukturen, die zu einem ganz persönlichen genuinen Ausdruck gelangen. Atkins Vorgehensweise zeigt, dass intentional und intuitiv gerichtete Zugänge zu Techno eine geschlossene Einheit bilden.

Techno ist einerseits ganz funktionalen und somit rationalen, andererseits unbewussten Gesetzmäßigkeiten unterworfen, an denen sich von vornherein erste Klangideen


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