Der seit Jahren immer wieder durch auffallende Ambient-Produktionen bekannte
Musiker Bernd Friedmann schreibt in einem localizer-Artikel dazu:
»Die innovativen Geister der ›Ambient‹-Musik sind eben ambivalente Gestalten. Sie
wissen, dass sie ihre meditative Versenkung nicht einer bewusstseinsfremden,
verlorengegangenen Spiritualität, sondern der Effektivität technisch erzeugter
Klangräume verdanken. Der Kathedralenhall kommt aus black boxes, blinkende
Nummerncodes signalisieren das Raumvolumen. Ob Flanger, Phaser, Hall, Echo, Chorus
oder Stereopanning: diese Aromastoffe sind zunächst technische Produkte, d.h. das
Basismaterial ist nicht klingender Natur, sondern digitale Datenmenge. Diese
naturidentischen cut-ups vom Piepmatz bis zum Buckelwal, von der indischen Sitar bis
zum Tibetmönch – sie alle haben trotz ihrer klanglichen Heterogenität denselben
Ursprung.«74
74 Friedmann. Ambient. Ebd.
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Die klangliche Beeinflussung der Raumwahrnehmung via Hall oder Echo oder anderer
Raum erweiternder Effekte ist ein musikalisches Spezifikum von Ambient. Darüber
hinaus gehören »das subtile Verändern klanglicher Parameter (Obertöne, Timbre) zu
den dominanten Merkmalen dieser nahezu vollständig elektronisch erzeugten
Musik«75
75 Ziegenrücker / Wicke. A.a.O., S. 29.
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heißt es bei Wicke und Ziegenrücker. Sie stellen Ambient-Kompositionen als synthetisch
erzeugte Klangumgebungen dar, die ruhig und flächig angelegt sind und bei Hörern eine
Veränderung des Raum-Zeit-Gefühls hervorrufen. Als eine Erweiterung dieser
bislang u.a. durch Brian Eno, Vangelis oder Edgar Froese bekannten meditativen,
synthetisch erzeugten Klangumgebung begreifen die Autoren die auch als Ambient
oder Electronic Listening Music bezeichnete Chill-Out Musik, die zwar das
Ambient-Konzept der New Age-Musik impliziere, sich jedoch von deren künstlerischen
Anspruch abwende und als funktionaler Ruhepol zum Techno gelten könne. Sie
beschreiben Ambient schlichterweise und zutreffend als »eine beatfreie, ruhige
Computermusik«.76
Die meisten Ambient-Produktionen haben verdeckte Rhythmen. Ambient-Stücke sind
Soundcollagen mit langer Spieldauer, in denen digital gesamplete Geräusche verwendet
und synthetische Klangteppiche erzeugt werden.
Tragende Elemente von Ambient sind demnach:
- Das Tempo ist frei wählbar, sofern es sich im langsamen, nicht-tanzbaren Bereich
aufhält.
- Die Rhythmik: versteckte Rhythmen werden häufig eingesetzt.
- Elementare Klänge/Sounds sind natürlich anmutende Klangteppiche, ruhige, sphärische Sounds
und Effekte, die Raumvolumen schaffen: Hall, Echo, Delay, Phaser.
- Als besonderes Merkmal zählt die lange Spieldauer der Tracks.
8.7.1. Analytische Skizze eines exemplarischen Ambient-Tracks
Das Klangbeispiel (CD Track No. 15) kann als typische musikalische Skizze von Ambient
gelten. Es enthält alle wesentlichen Elemente, die einen Ambient-Track charakterisieren:
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