- 90 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (89)Nächste Seite (91) Letzte Seite (248)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

ausgenutzt, und diese Freiheit hat zugleich ihre eigenen Ordnungen gefunden. Orff hat viele Möglichkeiten mit seinem Instrumentarium gewiesen. Werden sie genügend genutzt?

Für die Berlin-Fahrt schien ein größeres Reservoir von Geschichten notwendig, in dem auch solche enthalten sind, die in ihrem Sujet Jugendliche ansprechen. Zu der im Programm angekündigten Abenteurergeschichte kam es nicht. Das Programm mußte in Druck gegeben werden, ehe es ausgereift war. Aber eine Spukgeschichte "Das Hemd des Gespenstes" wurde vorbereitet und wäre in einem Jugendlager oder einer Schulklasse gut angekommen. Gruselklänge, erregende Wirbel und Glissandi würzten und steigerten das Unheimliche ins wahrhaft Abenteuerliche. In Berlin aber, in der gepflegten Aula der Cauer-Schule mit einem würdigen Publikum, da paßte das nicht hin. So unterblieb der wilde Zauber. Die Aula eignete sich überhaupt schlecht zum Erzählen. Eine intime Atmosphäre gehört dazu. Wenn ein Raum bei hundert Zuhörern gedrängt voll ist, entsteht der rechte Kontakt. Es blieben aber an die zweihundert Stühle unbesetzt. Darunter litt das Fluidum.

Unter unserem Vorrat befand sich eine Unterwassergeschichte. Als in einer Schulklasse die Kinder zum ersten Male ein Orffsches Xylophon hörten, rief ein Junge spontan: "Das klingt, als ob einer unter Wasser gluckst!" Damit will angedeutet sein, wie sehr die Holzstabspiele Wasserklänge ermöglichen. Diese Klangreize durchzogen die Geschichte, die im übrigen stark leitmotivisch durchsetzt wurde unter Ausnutzung eines Oboespielers. Die Musik verabsolutierte sich auch zu einem Tanzstock im Charakter traditioneller Volksmusik. Da dieses Stück mehrere Male vorkam, stimmten am Schluß alle Anwesenden trällernd mit ein. Dieser volkstümliche Brauch gelang öfter beim Ausklang der Geschichten.

Es zeigte sich zunehmend, wie die Phantasie bei der Findung von Leitmotiven und Themen individuell sprüht. Das auszunutzen heißt aber, sich von dem Orffschen Gestaltungsprinzip entfernen. Es gab originelle Einfälle für das Märchen "Strohhalm, Bohne und Erbse". Beim Märchen vom "dicken, fetten Pfannekuchen", das ja immer wieder für Bearbeitungen herhalten muß, ergab sich ein köstlicher Klangteppich, als die Naturalien: Mehl, Milch, Butter, Zucker, Ei und Salz - je mit einem Motiv versehen - nacheinander zusammengeschüttet


Erste Seite (1) Vorherige Seite (89)Nächste Seite (91) Letzte Seite (248)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 90 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten