- 69 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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vorgegebene Lied "Es sungen drei Engel ein' süßen Gesang" der erste Satz im siebenten und achten Schuljahr begriffen werden kann? - Wie plausibel musiziert es im zweiten Satz des Bratschenkonzertes "Der Schwanendreher" über das Lied der "Gutzgauch auf dem Zaune saß".- Ein Lehrer, der etwas von der Formenwelt der Barockmusik weiß, wird die Passacaglia aus "Noblissima Visione" ebenso nahe bringen können wie die aus der "Harmonie der Welt". (Es versteht sich, daß in diesen Ausführungen immer die Volksschule gemeint ist.) Das Werkschaffen Hindemiths bietet sich für das Musikmachen und das Musikhören für die verschiedenen Altersstufen vielfältig an. Hinter seinem Werkschaffen steht eine Musikgesinnung, die er vor allem in seiner "Unterweisung im Tonsatz" 6 und in der zweiten Ausgabe des Liederzyklus "Das Marienleben" niedergeschrieben hat.

Wir hatten Gelegenheit in einem Colloquium der Pädagogischen Hochschule Osnabrück vor etwa zwei Jahren Hindemith um vieles zu befragen. Ohne auf alles eingehen zu können, was dabei zur Sprache kam, so sei doch einiges berichtet. Er benannte die menschliche Stimme als ein gewichtiges Maß des Musikalischen. Den Vorgang der Musikentwicklung durch die Zeiten bezeichnete er als einen Pendelschlag von der Instrumentalisierung und Komplizierung zur Vocalität und Einfachheit. Er wies auf das alte Volkslied hin, an dem man sich immer wieder erneut üben und ausrichten könne. Er selbst habe genügend Beispiele des Zurückgreifens auf das Lied geliefert. Über den Sinn aller Musik befragt, äußerte er sich zunächst nicht. Als der Frager im Tonfall eines gewissen Vorwurfes an den Neutöner Hindemith davon sprach, daß früher die Musik der Ehre Gottes gegolten habe, antwortete er fast zornig: "Na, was denn sonst! Musik ist doch keine Spielerei!" - Er wandte sich gegen alle Abenteuerei im musikalischen Schaffen. Auf die zweite Fassung seines "Marienlebens" angesprochen, äußerte er sich im Sinne einer Konzentration der Aussage: "Was man mit drei Tönen sagen kann, soll man nicht mit fünf sagen". - Natürlich kam die Frage: "Was halten Sie vom Jazz"? Hindemith: "Was halten Sie davon"? Frager: "Sehr viel". Hindemith: "Ich auch". Frager: "Ja, aber..., so kann man das doch nicht abtun. Zum Beispiel die negro spirituals...". Hindemith: "Jazz ist doch keine Religion. Machen Sie doch keine Weltanschauung daraus. Nehmen Sie ihn doch

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