- 61 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
  Erste Seite (1) Vorherige Seite (60)Nächste Seite (62) Letzte Seite (248)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

Zu 2.: Das überkommene musikalische Leitbild der vorigen Lehrergeneration war doch etwa: der Heideschulmeister, der mit seinen Kindern im dreistimmigen Satz - oft mühevoll eingelernt - gemütvoll singen konnte "Im schönsten Wiesengrunde". Welches ist das heutige Leitbild? Der Sing- und Spielkreis im Sinne der "angefochtenen" Jugendmusik, die Klasse hinter dem Orff'schen Instrumentarium, die Rhythmikstunde in der Turnhalle oder der Unterricht durch den Schulfunk? Meines Erachtens sollten wir nicht Leitbilder hinstellen, sondern Ansätze überprüfen.

Da sitzt z.B. der Lehrer S. mit seinen Schülern dicht zusammen, als "Haufen". Ein Junge bedient die selbstgebaute Teufelsgeige, ein anderer reißt die Mandoline. Sie singen zwar nicht schön, aber ihre Lebenswelt klingt auf. Ihre Liedauswahl zeigt keine ästhetischen Merkmale, keine Auswahl von "Kernliedern" ist erlernt. Jungenecht und überzeugend klingt eine "autonome" Welt. Zumindest für die Entwicklungsjahre überzeugt eine derartige autonome Selbstherrlichkeit immer wieder. In eine andere Klasse kommt ein "neuer" Junge. Er zeigt sich dem Lehrer gegenüber trotzig und verschwiegen. Der Lehrer sucht mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er fragt ihn nach seinem Namen und läßt ihn den Rhythmus des Vor- und Zunamens auf der Trommel schlagen. Der Junge tut es trotzig. Danach fragt der Lehrer nach dem Namen seines Freundes. Schon klingt der Rhythmus dieses Namens auf der Trommel weicher, der Junge gewinnt Zutrauen und Zuneigung. Für alle Stufen möglicher Lebenshilfe möge dieses Beispiel stehen. - In einer Volksschule singt man nach Handzeichen und Noten mit hellen klaren Stimmen, mit guter Artikulation. Mit dreistimmigen Sätzen zieht man, auswendig singend, Polonaisefiguren ausschreitend, im Schulhof umher. Sprache, Musik und Bewegung - in dieser Ausprägung durch das Musikheim (Georg Götsch  ) inspiriert - kommen als Einheit oder im Wechselspiel zum Zuge. Die Methode des Notensingens ist nicht Selbstzweck, sondern spielerische Hilfe. Das Musizieren trägt den Charakter unmittelbarer Lebendigkeit. Das Rhythmische kommt körperhaft, leibhaftig in Gang, der Bewegungssinn wird ständig angesprochen. Das Klangliche erreicht edle Qualität, das Sprachliche sucht gedankliche Sinnerfüllung.

Richtlinien für die Schulen geben die Normen für das Erreichbare im Unterricht. Normung und Methodisierung des Musikunterrichts


Erste Seite (1) Vorherige Seite (60)Nächste Seite (62) Letzte Seite (248)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 61 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten