- 47 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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dem Buß- und Bettag zugeordneten Choräle fordern verhaltenes Singen, ebenso das adventliche "Es kommt ein Schiff geladen" und natürlich die Choräle der Passionszeit. Seelische Bereitschaft, körperliche Gebärde, Sinnerfassung, Hören (Hören heißt Gehorchen) können im Vollzug der Liturgie eins werden.

Keiner höre sich selbst, sondern im Singen immer zugleich das Ganze! Er höre also den ganzen Klang der singenden Gruppe und den erklingenden Ton im Spannungsfeld des melodischen Ablaufs. Die Tonbildung bleibe schlank, im Gegensatz zum aufgeblähten Ton in der "bekannten Dampfnudeltechnik". Bei ständig vorgedachter Gestaltung von Wort und Ton vollziehe sich das Singen. Horchendes Verhalten zeugt eigenes Zuhören, wahrnehmende Bewußtheit. Das Vorausdenken ist auf den Spannungsablauf der Linienführung (Zukunft) gerichtet, die klangliche Ausführung ist Gegenwart schlechthin, das kontrollierende Bewußtsein erfaßt bereits Erklungenes (Vergangenheit) als dynamische Kraft für das noch zu Gestaltende. Das Bild des Steuermanns, der Zielpunkte ansteuert, handelnd am Rad den Augenblick bewältigt und den zurückgelegten Weg im Bewußtsein behält, stehe vergleichsweise für den vergeistigten Vorgang beim horchenden Singen. Dieses erfüllt sich bei Wahrung höchsten Anspruches, in der Einstimmigkeit. Der Vorgang der Verfeinerung kann zu außerordentlicher Sensibilität führen und macht natürlich unduldsam gegen auf Stimmvolumen entwickelte Sänger, gegen flackernde und zittrige Stimmen.

Der durchlichtete Chorstil der Singkreise bewährt sich beim lockeren Singen der Madrigale. Die alten weltlichen Liedsätze in ihrer Imitationstechnik und die c.f.-Sätze verdeutlichen sich bei verhaltener Tongebung, in der das Stimmengeflecht erkennbar bleibt. Der schwebende transparente Chorklang gehört zu den Messen der Niederländer, zu den Motetten von Heinrich Schütz. Die feinnervigen Choräle von Hugo Distler bedürfen einer höchst sensiblen Klanggebung. Vielen bleibt leuchtende Erinnerung, wie Georg Götsch ( ) es verstand, eine astrale (verklärte) Klanglichkeit im Umgang mit Schütz-Motetten zu entwickeln. Wie tot aber kann ein "stiller" Chorklang sein, wenn er nicht vom Geist durchweht, vom Atem bewegt und sinnenhaft durchglüht ist. Sprödigkeit und Dürftigkeit kennzeichnen dann die Klangaskese. Wilhelm Ehmann bemüht sich in


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