- 212 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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Prozeß durchzuführen, der in einer solchen Ansammlung von Menschen von Zeit zu Zeit notwendig ist. Er war dieser Klabautermann, indem er alles das, was dort passierte und Reibungen mit sich brachte, durch seine durchaus dichterische Fassung aufspießte.

Morgens, wenn andere noch aufstanden, war er schon in seinem Arbeitszimmer, um die ersten Seiten zu lesen. Das tat er mit einer großen Regelmäßigkeit.

Er war auch ein großer Erzähler.

Von Zeit zu Zeit trafen wir uns im Mondsicheltal in den Dünen, und Luserke erzählte eine seiner Seegeschichten oder Legenden. Noch ehe es aktuell war, daß die Schule geschlossen wurde, hat Luserke immer davon erzählt, er wollte auf ein Wohnschiff gehen, um dort zu leben, zu schreiben und zu erzählen. Diese Intention hat sich später verwirklicht. Luserke hat ein Fischerboot zum Wohnschiff umgebaut bzw. umbauen lassen und einige Jahre darauf gelebt. Es ereignete sich dann, wenn seine Ankunft sich im Hafen herumsprach, daß sich Leute, zumeist Jugendliche, auf seinem Schiff versammelten und er abends Geschichten erzählte, meistens Fortsetzungsgeschichten.

W.: Ist die Schließung der Schule am Meer von außen her bedingt worden?

S.: Die Schule am Meer wurde nicht aufgrund äußerer Anlässe geschlossen, sie hatte zweifellos schon innere Schwierigkeiten in mehrfacher Hinsicht. Erstens gab es eine Menge jüdischen Geldes in der Schule und die Zeitumstände zwangen zu einer Trennung von diesem Einfluß. Zweitens gab es unmittelbare politische Bedrängnisse auf der Insel selbst. Drittens war man abhängig von wirtschaftlich wohlhabenden Kreisen. Es war immer Luserkes Idee gewesen, von dieser Abhängigkeit loszukommen. Er meinte im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung, es sollte nun, nachdem ein Staat sich so gesetzt hat, diese Schule auch vom Staat übernommen werden. Er bot die Schule dem Staat an, z.B. in der Form einer nationalpolitischen Erziehungsanstalt, wie sie auch in den zwanziger Jahren üblich war. Diese Bemühungen gingen jedoch fehl, und Luserke selbst war nicht willens, die Schule weiterzuführen.

Man muß anmerken, daß andere Landerziehungsheime im damaligen Deutschland des beginnenden Nationalsozialismus haben weiter existieren können. Ich erinnere an Holzminden und an Marienau.


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