- 205 -Sydow, Kurt: Musikpädagogische Beiträge aus drei Jahrzehnten 
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gekommen ist. Es wurde von ihm in seine Gruppen hineingetragen und von hier aus verbreitet. Jöde, so scheint es mir, hat eher schwedisches Liedgut und schwedische Volkstänze bevorzugt.

W.: Sie waren zunächst also Partizipierender bei Singwochen. Von wann ab haben Sie selbst Singwochen geleitet?

S.: In diesem Zusammenhang möchte ich mit der Geschichte meiner Verbindung zu Götsch anfangen.

Als wir damals die Singwoche in Hildesheim hatten, zu deren Abschluß wir drei Konzerte gaben, bei denen ich u. a. auch als Geiger gefordert war, hatten wir eine Einladung zu einer Tagung, die Götsch leitete. Ich habe vergessen, an welchem Ort in der Nähe von Hildesheim diese Tagung stattfand. Wir kamen also an, es war gegen Abend. Man sah von weitem Fackeln, man hörte eine Okarina blasen. Und als wir näher kamen, wurden wir von den dort anwesenden Teilnehmern der Tagung zur Polonaise aufgefordert. Man umzog die Burg in einer Polonaise, zog dann in den Saal und schritt verschiedene Polonaisefiguren, gab dann eine gesprochene Begrüßung und ließ ein gemeinsames Singen folgen. Dann saß man zusammen zur ersten Begegnung beim Tee.

Plötzlich wurden wir aufgefordert, zu singen. Wir sangen damals die Bachmotette "Jesu, meine Freude". Hinterher sang Götsch den "Echokanon" und ein "Hahaha" mit allen Anwesenden in einer, wie mir damals schien, sehr exaltierten Form, also indem er mit seinen Armen im Sinne der singenden Hand außerordentliche, weitausladende Kurven führte. Als wir dann die Burg wieder verließen, warteten wir draußen auf unseren Leiter. Es dauerte ziemlich lange, dann kam er und sagte: "Wißt Ihr, was er zu mir gesagt hat (nämlich Götsch)? Mir müßte verboten werden, Chor zu dirigieren."

Das war ein Einbruch in diese so erfüllte Singwoche, wie man ihn sich ärger kaum vorstellen kann. Wir empfanden diese Worte von Götsch als herausfordernd in der Art und waren darüber sowohl erschrocken, als auch empört. Später erst habe ich begriffen, was er gemeint hat. Er meinte wohl eine elastische Chorführung, eine, die die Stimmen nicht forciert, die verlangte, daß schnelle Bewegungen oder Koloraturen in dieser Bachmotette weich und fließend gesungen werden müßten, während wir ja die schnellen Figuren alle konsequent staccato gesungen hatten.


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