- 117 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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In seinen Analysen legte Berg auf folgende Schwerpunkte Wert. Ein wichtigesWerk für den Beginn seiner Studie ist "Erwartung". 8) Berg unterscheidet in seiner Analyse zwischen "Impressionismus" - den er mit rot umrandeten vertikalen Klängen verzeichnet - und "Expressionismus", den er mit blauem oder schwarzem Bleistift als Themen und motivische Kernzellen markiert. Seine Analyse hängt vom Text ab. Die "impressionistischen" oder vertikalen Klänge erzeugen in der Dichte ihrer Akkorde und ihrer Klangfarbe jene düstere Stimmung, die durch die unbeantwortete Frage "hier hinein?" entsteht. Die Stimmung des mondbeleuchteten dunklen Waldes wird durch die Quart e-a und den Tritonus a-dis dargestellt; der Charakter der Einleitung wird auf diese Weise geprägt. Als Thema bezeichnet Berg die Melodie der zögernden Frage "hier hinein?", die mit großen und kleinen Sekundschritten - cis, h, c und g, f, es, d - wiedergegeben wird. Zum Begriff des Themas zählen auch die Sechzehntelwerte. Bereits in diesem Werk steht bei Berg der Unterschied zwischen zugrundeliegender Stimmung und Thema, dargestellt durch eine horizontale Tonfolge, fest. Aus der vertikalen Tonfolge werden aus dem totalchromatischen Idiom bestimmte Intervalle abstrahiert.


Als Einleitung zu Adornos Analyse der Orchesterstücke steht ein Überblick, der von den frühen Werken Schönbergs bis zu opus 16 eine Kontinuität feststellen soll. Berg hat in seinem Handexemplar dieses Aufsatzes unterstrichen: "was in den Orchesterstücken zurückdeutet auf sie (die frühen Werke Schönbergs), ist in der Kontinuität mit dem Älteren leicht evident zu machen. Das technisch entscheidend Neue aber der Orchesterstücke ist, nachdem es dort gleichsam vorweggenommen war, in den jüngsten Werken Schönbergs derart als bestimmendes Prinzip sichtbar geworden, daß es beim frühen und unprinzipiellen Auftreten nicht allzusehr befremden sollte.


Von den vorangehenden Werken aus lassen sich die Orchesterstücke betrachten als Übertragung der konstruktiven Polyphonie von Kammersymphonie und zweitem Quartett auf die harmonisch und formell aufgelockerte Schreibweise der Klavierstücke und der George-Lieder. Mit diesem haben sie die Kürze gemein - Kürze nicht von Genrestücken, sondern äußerster Konzentration innerhalb sehr expansiver Musik. ... Freilich bestehen teils noch ähnliche Zusammenhänge mit der Tonalität wie in den George-Liedern."


Berg setzt seine Analyse fort, indem er diese Aussage durch Notenbeispiele genauer ausführt. Ein wesentlicher Aspekt von Bergs Analysen ist seine Betrachtung von Akkorden, die er durch den Terminus Akkordflächen oder Akkordfelder im Hinblick auf Begriffe wie "Vieltönigkeit", "Polytonalität und "Dualtonalität" erweitert. Als Beispiel für "Dualtonalität" nimmt Berg die "George-Lieder op. 15" und zwar nicht nur im einzelnen Fall, sondern als charakteristischen Zug des ganzen Liederzyklus. Lied Nr. 3 deutet zugleich auf c-moll und-Es Dur, Lied Nr. 4 auf fis-moll und a-moll; die mediantische Beziehung ist nicht zu übersehen. In der Analyse des dritten Stückes der Klavierstücke op. 11 unterscheidet Berg zwischen "Vieltönigkeit" und "Polytonalität".


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