In diesem Zusammenhang sei auch auf die Theorien von Théodule Ribot (1889), Nikolai
N. Lange (1893) und Hugo Münsterberg (1889; 1900) verwiesen. Sie vertraten
unabhängig voneinander eine motorische Theorie der Aufmerksamkeit, die besagt,
dass Sinnesempfindungen nur Zugang zum Bewusstsein bekommen, wenn sie mit
motorischen Prozessen einhergehen. Nach Lange ist eine willentliche Konzentration der
Aufmerksamkeit nur möglich, wenn diese durch bestimmte Muskelbewegungen
aufrechterhalten und verstärkt wird. Er war der Auffassung, dass auf diese Weise Ideen im
Prozess der gerichteten Aufmerksamkeit fixiert werden (vgl. Lange 1893, S. 191, 206,
243).
Flow Margaret Washburn (1916, S. 25) nahm einen parabolischen Zusammenhang
zwischen dem Verhältnis von Exzitation und Inhibition motorischer Prozesse und dem
Zugang zum Bewusstsein an. Ein mittlerer Wert dieses Verhältnisses erzeugt ihr zufolge
ansatzweise Bewegungen, d. h. leichte Kontraktionen der Muskeln, die am sichtbaren
Verhalten beteiligt sind. Treten diese ansatzweisen Bewegungen langsam und mit
Verzögerung auf, befinden wir uns in einem Zustand der Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit
ist nach ihrer Definition ein motorisches Phänomen, da es eine unentbehrliche Vorbedingung
für die Bildung von Assoziationen ist, die ebenfalls von motorischen Prozessen abhängt.
Gemäß ihrer Theorie bestimmt das Verhältnis von Exzitation/Inhibition nicht nur
unser Bewusstsein für periphere Erregungsvorgänge sondern auch für »zentrale
exzitatorische Prozesse«, d. h. Vorstellungen. In einer Vorstellung werden ihrer
Theorie zufolge die sensorischen Effekte vergangener Stimulationen reaktiviert.
Wird ein motorisches Zentrum erregt, so werden alle sensorischen Zentren, die vor
kurzem (oder häufig) dieses Zentrum gereizt haben durch Senkung der synaptischen
Widerstände stimuliert (vgl. Washburn 1914). Die Eigenschaften der Vorstellungen werden
hauptsächlich durch die Verzögerung der motorischen Impulse und dem tatsächlichen
Auftreten der Bewegungen bestimmt: je länger die Verzögerung desto extensiver die
Erregungsausbreitung von motorischen auf sensorische Zentren, was wiederum detailliertere
und umfassendere Vorstellungen zur Folge hat. Dies erinnert an Wilhelm Wundts Begriff der
»Miterregung« (1908–1911, Vol. 2, S. 37ff) und nahm das Prinzip der Pawlowschen
Konditionierung vorweg. Da die Vorstellungen nach Flow Margaret Washburn aus
Assoziationen resultieren und die Assoziationen von der Aufmerksamkeit bzw. dem
Bewusstsein abhängen, der von ihr als motorischer Prozess definiert wurde, basieren
Vorstellungen immer auf einer modalitätsspezifischen kinästhetischen Komponente.
Vorstellungen sind demnach »bewusste Begleiterscheinungen« ansatzweiser/verdeckter
Bewegungen.
Louis William Max (1937) ging von einer grundsätzlichen Abhängigkeit des Bewusstseins
von der Stärke motorischer Prozesse aus:
If the motor theory of consciousness holds, then electromyographic responses, at
a minimum during undisturbed sleep, should increase as consciousness becomes
more complex (Max 1937, S. 302).
Hans Werbik (1971) wies einen umgekehrt U-förmigen Zusammenhang zwischen
Komplexität von gehörter Musik und Eindrücken der Erregung und des Gefallens nach. Es
scheint auch ein Zusammenhang zwischen der Komplexität der Aufgabe und der Höhe der
EMG-Werte in Muskeln des Stimmapparates zu existieren. In mehreren sprachbezogenen
Studien stieg die elektromyographische Aktivität in der
|