- 133 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (132)Nächste Seite (134) Letzte Seite (202)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

in der Kehlkopfmuskulatur während der Entspannungsphase geringer ausfiel. Es ist davon auszugehen, dass die Probanden auch während dieser Phase atmeten. Denkbar wäre jedoch, dass bei bewusster Entspannung ruhiger und gleichmäßiger als bei den musikbezogenen Hör- und Vorstellungsaufgaben geatmet wurde, was sich wiederum in niedrigeren EMG-Werten niedergeschlagen haben könnte. Doch selbst wenn erhöhte EMG-Werte nur auf unregelmäßige oder gesteigerte Atemtätigkeit zurückzuführen wären, besteht die Möglichkeit, dies dennoch als Indiz für »inneres Singen« zu interpretieren. Vielleicht wurde wie beim faktischen Singen z. B. immer zu Beginn der Vorstellung einer musikalischen Phrase geatmet. Möglicherweise wird bei musikalischen Vorstellungsinhalten, die eine längere Phrase, ein Crescendo oder generell eine Steigerung der Ausdrucksintensität beinhalten analog dem tatsächlichen Singen mehr Luft geholt. Alternativ könnte eine erhöhte Atemfrequenz auch erforderlich sein, um dem Gehirn den Mehrbedarf an Sauerstoff zuzuführen, der für die allgemeine Verarbeitung kognitiver Aufgaben erforderlich ist.

Durch die Untersuchung wurde nicht geklärt, ob bereits die Aufgabenstellung an sich zu einem höheren Muskeltonus führt – ein Standpunkt, der in manchen der oben umrissenen Bewusstseinstheorien vertreten wird. Demnach würde der erhöhte Muskeltonus durch gerichtete Aufmerksamkeit – vielleicht aber auch aufgrund stressbedingter Verspannungen als Reaktion auf die Leistungsabfrage – zustande kommen. Ungeprüft blieb in dieser Untersuchung auch, ob die Muskeltonusveränderungen im Kehlkopf aufgabenspezifisch, d. h. nur im Zusammenhang mit musikalischen Klangvorstellungsaufgaben oder auch mit sprachlichem, mathematischem oder bildhaft-anschaulichem Material auftreten. Es wurde ebenfalls nicht kontrolliert, in wiefern die Erhöhung der Muskelaktivität bei musikalischen Klangvorstellungen auf die Kehlkopfmuskulatur beschränkt blieb (Muskelspezifität) oder sich der Tonus generell in der Körpermuskulatur erhöhte. Da die Kehlkopfmuskulatur unter anderem vom Nervus Vagus innerviert wird, der lebenswichtige Funktionen unterstützt, erscheint es durchaus möglich, dass die Wirkung von Musik auch in anderen von diesem Nerv versorgten Muskeln (z. B. Herzmuskel) nachgewiesen werden könnte.

Bei Instrumentalmusikern wurde bereits wiederholt festgestellt, dass beim Hören und Vorstellen von Musik Muskelgruppen aktiviert werden, die an den Spielbewegungen (z. B. Arm-, Fingerbewegungen) zur Erzeugung dieser Klänge beteiligt sind. Auch hier wurde eine mögliche Veränderung des Muskeltonus im gesamten Muskelapparat nicht oder nur sehr selektiv (z. B. im nicht-dominanten Arm) untersucht. Setzt man voraus, dass musikalische Klangvorstellungen kinästhetische Elemente beinhalten, so erscheinen große individuelle Unterschiede in der Aktivierung bestimmter Muskeln in der Klangvorstellung nicht nur zwischen Musikern, die verschiedene Instrumente spielen sondern auch zwischen Spielern desselben Instrumentes als wahrscheinlich. In einer weiteren Studie wäre durch den Vergleich der elektromyographischen Aktivität in verschiedenen Muskelpartien zu überprüfen, ob sich bei musikalischer Klangvorstellung muskelspezifische Unterschiede ergeben.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen persönlichen Vorlieben der Probanden für die im Versuch verwendeten Musikstücke und der Stärke der dabei auftretenden elektromyographischen Aktivität konnte nicht untersucht werden, da diese


Erste Seite (i) Vorherige Seite (132)Nächste Seite (134) Letzte Seite (202)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 133 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen