Fazit
Eine abschließende Beurteilung der Bewertungen des Exzerpts Mishra-Mānd fällt nicht
leicht, da in diesem Fall die Beschreibungen durch Musiker und Musiktheoretiker nur
wenige konkrete Aussagen beinhalten. Dies hat seinen Grund jedoch nicht in der
mangelnden Mitteilungsfreude der betreffenden Personen, sondern ist in der Tatsache
zu suchen, dass Mishra-Mānd seinen Ursprung der Volksmusik Rajasthans
verdankt.
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Ravi Shankar bezeichnet das von ihm interpretierte Stück denn auch nicht als
rāga sondern als
dhun. »Dhun is similar to Thumri (leichte klassische Musik,
Anmerk. des Verf.), but is based on folk tunes or popular songs of light character.
Thus it may be said to be the lightest form of classical music. The performer is
at liberty to mix ragas and introduce effects which have immediate appeal
to the audience, and it is ususally performed as the last item on a program
(…).«
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Ein dhun gehört somit streng genommen nicht der klassischen Musik sondern der
leichten klassischen Musik Nordindiens an. Abgesehen von der Beschreibung als
»leicht« kann den Stücken dieser Gattung kein eindeutiger Charakter bzw.
kein bestimmter emotionaler Gehalt zugeschrieben werden. Als Mischung aus
Volksmusik und Kunstmusik besitzt ein dhun in den Augen indischer Musiker keine
Persönlichkeitsstruktur, was sich an der vergleichsweise großen Interpretationsfreiheit,
die an keine Tages- oder Jahreszeit gebunden ist, feststellen lässt.
Dass sich der leichte und ansonsten wenig differenzierte Charakter dieses Stückes auf
die Probanden übertragen hat, kann mit einiger Wahrscheinlichkeit bestätigt, zumindest
jedoch nicht widerlegt werden.