- 12 -Schmidt, Markus: Ästhetik und Emotion in der nordindischen Kunstmusik 
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»The expression of a mode is the sum of it’s different notes, defined by their relationship to the tonic. In each raga, each of the different notes is attributed a definite meaning.« 51
51   Danielou, 1980, S. 43.

So unterschiedlich die vorgestellten Theorien auch sein mögen, liegt auch ihnen die Annahme zugrunde, dass ein ga als Träger und Überträger eines zwar komplexen, aber dennoch eindeutig identifizierbaren emotionalen Gehalts zu gelten hat.

Theoriebildung auf Grundlage natur- und humanwissenschaftlicher Methoden lautet das Schlagwort der dritten Gruppe von Theoretikern. Die Ansatzpunkte sind dabei ebenfalls äußerst vielfältig und umfassen die Konsonanz- und Dissonanzprinzipien der musikalischen Akustik ebenso wie medizinische und neuropsychologische Messverfahren. Der physiologische Zusammenhang von Atmung und Gesang wird zur Verdeutlichung von Expressivität herangezogen, sowie die Analogie von Sprache und Musik. 52

52   Vgl. Rao, 2000, S. 31 ff.

All diesen Verfahren ist gemeinsam, dass sie den intrinsischen Zusammenhang von Musik und Stimmung nur bis zu einem gewissen Grad bestätigen bzw. widerlegen können, und somit liefern sie keine eindeutigen Beweise für oder gegen die Theorie von ga-s als Auslöser spezifischer Emotionen. Allerdings lässt sich festhalten, dass einige Forscher, wie beispielsweise Shyamala Vanarase, einen strukturierten konzeptuellen Rahmen vorlegen, in dem die psychologische Analyse des ästhetischen Erlebens unternommen werden könnte. 53

53   Vgl. Rao, 2000, S. 34.

Empirische Untersuchungen zur affektiven Bedeutung nordindischer Kunstmusik sind nach wie vor rar. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang einerseits die bereits häufig zitierte Studie von Suvarnalata Rao, 54

54   Rao, Suvarnalata: Acoustical Perspectives on Raga-Rasa Theory. New Delhi. 2000.

die in der akustischen Analyse unterschiedlicher Interpretationen eines ga einen Zusammenhang von der Verwendung bestimmter melodischer Phrasen und mikrotonaler Strukturen mit dem affektiven Gehalt feststellen konnte, und andererseits die Untersuchungen von B.C. Deva, 55
55   Zusammengefasst in: Deva, B.C.: The Music of India. A Scientific Study. New Delhi. 1981.

auf die im dritten Kapitel noch näher einzugehen sein wird.

2.7.  Zusammenfassung: rasa und ga aus heutiger Sicht

Durch die bisherigen Ausführungen dürfte klar geworden sein, dass sich die zeitgenössischen Meinungen zur rasa-Lehre als äußerst heterogen erweisen. Abgesehen von einigen Ausnahmen scheint diese in der Aufführungspraxis tatsächlich keine nennenswerte Rolle mehr zu spielen. Im Gegensatz dazu ist die ihr zugrunde liegende Idee, nämlich die gezielte Vermittlung bestimmter emotionaler Zustände jedoch höchst lebendig.

Anhand der untersuchten ga-s wird im nächsten Kapitel zu erfahren sein, dass auch die Zuschreibung dieses bestimmten emotionalen Gehalts zu den ga-s durch verschiedene Musiker und Musiktheoretiker durchaus nicht immer einheitlich ist, dass sie jedoch in ihrem Kern eine gewisse Konstanz aufweist.


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