2. Dokumentation der 1998 durchgeführten Fragebogenaktion und Telefoninterviews
Klaus Hiemann, Deutsche Grammophon Gesellschaft
Klaus Hiemann war in den 1970er Jahren als Tonmeister in der Aufnahme und
Bearbeitung von Klassikaufnahmen bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft (DGG)
beschäftigt, bei der er bis heute tätig ist.
Seine Erinnerung:
CBS war Vorreiter bei der Einführung der Quadrophonie und hat maßgeblich und
allen voran die Entwicklung und Einführung vorangetrieben. Auch EMI war beteiligt,
allerdings zurückhaltender. In Europa war alles sowieso sehr verhalten, die
Aktivitäten wurden eher in den USA oder Japan vorangetrieben. Auch die Presse
hatte Quadrophonie sehr positiv besprochen. Alle Seiten waren begeistert. Die
einzige Ausnahme stellte Dr. Steinhausen dar. Es gab für die Tonmeister bei den
Quadrophonie-Aufnahmen viel über Aufnahmetechnik allgemein zu lernen, das man bis
heute noch anwenden kann. So wurde zum Beispiel die Funktionsweise und Bedeutung
von Raum- versus Direktmikrofonen deutlich.
Bei der DGG wurde ausschließlich das in Japan entwickelte DC-4-Verfahren
verwendet, also kein Matrix-Verfahren. Nur bei diesem Verfahren wurden Laufzeit- und
Phasenunterschiede durch die Frequenzmodulation der zusätzlichen Quadro-Kanäle
diskret abgebildet. Dies ist insbesondere in der Klassik wichtig, da dort anders als bei
der Popmusik immer Phasen- und Laufzeitenunterschiede vorkommen. Daher musste bei
der Klassik ein diskretes Verfahren verwendet werden. Die anderen Verfahren
(Matrixverfahren) klingen über Stereo abgespielt eher undefiniert.
Dieses System (DC-4) stellte aber hohe Anforderungen, was die Nadel (die sog.
Shibata-Nadel) und die Schallplatte (besonders fest und von guter Materialqualität)
anging. Auch erforderte die genaue Justierung ein »half-speed-cutting« (Schnitt mit
halber Geschwindigkeit). Generell war das Verfahren als einziges diskretes Verfahren sehr
gut, aber auch sehr empfindlich.
Alle Tonmeister waren von der Quadrophonie begeistert. Allerdings waren die
Hardware-Bedingungen schwierig, z. B. durch den sogenannten »Hausfrauen-Effekt«,
also das Problem, nun vier Lautsprecher im Wohnzimmer unterzubringen. Daneben
mussten auch noch weitere Verstärker etc. angeschafft und untergebracht werden. Heute
ist dieses Problem mit wesentlich kleineren, aber ebenso leistungsfähigen Lautsprechern
gemeistert.
Bezüglich der Aufnahme und Abmischung stellte Quadrophonie kein Problem dar, im
Gegenteil konnten Raum- und Direktinformation nun viel besser getrennt werden. Ein
Schwerpunkt der Anwendung dieser Technik wurde in der Klassik gesehen, man war mit
der DC-4-Technik sehr zufrieden.
Der Träger Schallplatte stellte nur für das DC-4-Verfahren wegen der dort nötigen
Frequenzverschiebung in den hochfrequenten Bereichen ein Problem dar. Insbesondere
wegen der in den 1970er Jahren einsetzenden Ölkrise wurde die Qualitätsgarantie
für DC-4 immer schwieriger. Von 1974 bis 1980 wurde eine große Anzahl von