- 69 -Schabbing, Bernd: Musik- und Audiotechnologien zwischen Technik, Marketing und Kundenwunsch 
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2.4.5.  Rückschau auf 1997: Warum ist ein wirtschaftlicher Nutzen bisher ausgeblieben?

Betrachtet man das Startjahr 1997, so erkennt man vielfältige Potenziale und auch den anfänglichen Willen der Musikindustrie, sich aktiv auf diese neuen Möglichkeiten einzulassen, etwa mit dem MODE-Projekt (s. o.). Hemmnisse waren zunächst allein die geringen Leitungskapazitäten und die geringe Komprimierungsfähigkeit der ersten Digitalformate der Songs einerseits und die Sorge, Stücke, die einmal digital im Netz sind, nicht mehr kontrollieren und abrechnen zu können.

Dies führte bei der Musikindustrie zu dem Eindruck, dass noch genügend Zeit für die Sicherung ihrer Rechte bleibe. Zugleich beschränkte sie wegen des Risikos, dass einmal im Netz vorhandene digitale Musikfiles dann ohne Probleme kostenfrei weitergegeben werden konnten (vgl. z. B. den unerwarteten Erfolg der Online-Musiktauschbörse Napster), einerseits die Online-Bereitstellung stark und intensivierte andererseits die Arbeit an komplizierten Kopierschlüsseln und Urhebersignaturen. Die von der Wirtschaft unterschätzte Dynamik des Marktes insbesondere bei dem Ausbau der Leitungskapazitäten (T-ISDN und T-DSL) und der Verbesserung der Komprimierungsverfahren (heute MP3) erhöhte den Druck zusätzlich.

Am Ende steht mittlerweile die Musikwirtschaft nun als regelungswütiger und profitorientierter Gegner des Kunden da, der sich oft zu Unrecht kriminalisiert und verfolgt fühlt. Das eigentlich von jedem Wirtschaftsunternehmen gewünschte Verhältnis des Anbieters als Dienstleister und »Wunscherfüller« des Kunden ist mehr als gestört. Dabei sind die Ansprüche der Musikindustrie verständlich, doch ist das subjektive Gefühl des Kunden mittlerweile unumkehrbar negativ geprägt. Hier hätte eine frühe offensive Unterstützung des trägerlosen Bezuges mit einem begrenzten Teil des Repertoires oder spezieller Remixes für das Internet einen breiten Massenmarkt stärken und zu einem positiven Image führen können. Zunächst hätte die Anwendung der Technik vereinfacht und verbilligt werden müssen, damit die Nutzer sich mit der nicht unkomplizierten und aufwendigen Techniknutzung vertraut machen können (Downloadzeiten, Klangqualität, einfache Weiternutzung der Soundfiles). Stattdessen hat sich die Musikindustrie in einen »Aufrüstungswettkampf« gegen die Kunden begeben, den sie wahrscheinlich nicht gewinnen kann, der große Kräfte bindet und der das negative Image weiter verstärkt.

Auch wenn nicht abschließend geklärt werden kann, ob eine wirtschaftliche Tragfähigkeit erreicht worden wäre, so ist die heutige Situation doch sehr bedenklich und führt auch nicht zu einer Gesundung der Musikwirtschaft. Vielmehr muss festgehalten werden, das die Chancen der Pionierzeit nur wenig genutzt worden sind und die damaligen Möglichkeiten nun vertan sind. Derzeit ist – wie im Internet gesamt – auch in diesem Bereich eine Gewinnerzielung auf breiter Basis nicht so bald in Sicht. Zudem sind zentrale Fragen wie die Kosten der Datenübetragung, die Zahlungsweise und die Grundfrage, ob und wie die Kunden langfristig mit trägerloser Musik umgehen wollen, nicht abschließend geklärt. Es wird in Zukunft vor allem auf die Übertragungs- und Speichertechnik sowie die mit diesen Aspekten verbundenen Fragen der Abrechnung, des Kopierschutzes und der Beibehaltung des Rechtes auf »Privatkopie« ankommen. Wichtig wird sein, die individuellen Ansprüche der Kunden zu berücksichtigen und wieder eine Brücke zum Kunden zu schlagen. Hier ist dringender Innovationsbedarf und zugleich ein interessanter Markt zu sehen.


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