und gar kein Zufall, dass allgemeine Informationen über die Volkskultur
– z. B. in Büchern über traditionelle Riten von G. G. Frazer, E. B. Tylor
u. a. – in Russland im Zeitraum zwischen 1918 bis 1985 nicht herausgegeben
wurden.
Warum brauchen uns die Massenmedien nicht?
Seit Anfang der 1990er Jahre zeigen sich in der Kultur immer deutlicher negative
sozialökonomische Tendenzen. Die Schaffung des nichtkommerziellen staatlichen Kanals
Kultur im Zentralen Fernsehen verbesserte die Situation nur im Bereich der
professionellen Kunst, denn dieser Kanal spezialisiert sich ausschließlich auf die
Verbreitung unbekannter Werke der klassischen Kunst: der zur Stalinzeit verbotenen
Dichter, Maler usw. Probleme der traditionellen Volkskultur werden vom Kanal nicht
berührt, und regionale Festivals der Volkskunst werden von den zentralen Sendern des
russischen Fernsehens nicht wahrgenommen.
In den letzten fünfzehn Jahren bringt das Fernsehen nur einige monatliche Programme
musikalischer Laienkunstgruppen: Spiel die Ziehharmonika! und Ech, Semjonowna; und
der Allrussische Rundfunk sendet das Programm Die Stimmen Russlands. Alle diese
Programme klammern die traditionelle russische Kultur fast vollständig aus. So werden
zum Beispiel in der Sendung Ech, Semjonowna von den regionalen Ensembles Vierzeiler
(Tschastuschki) und Lieder schlechter künstlerischer Qualität gesungen, die als »echte«
Folklore ausgegeben werden. Ebenso verfährt man in der Fernsehsendung Spiel die
Ziehharmonika!. Den Jugendlichen werden ordinäre Straßenlieder aus den 1920er Jahren
präsentiert.
Bis in die 1990er Jahre war die Situation dank der regionalen Fernseh- und
Radiokanäle, die lokalen künstlerischen Ensembles bedeutend mehr Zeit widmeten, etwas
besser. Das betraf vor allem Autonome Republiken wie Tschuwaschien, Tatarstan,
Burjatien, Jakutien, die Regionen Krasnodar und Krasnojarsk u. a. Neue Volksmuseen
wurden gegründet und in den lokalen Massenmedien präsentiert, unter ihnen das
Bier-Museum in Sankt Petersburg, das Samovar-Museum in Tula, das Spinnrad-Museum
in Archangelsk, das Filzstiefel-Museum in Kostroma und das Fischerei-Museum im Dorf
Ikrjanoe des Astrachaner Gebiets. Die allgemeine Kommerzialisierung, die in
den letzten fünfzehn Jahren in Russland leider stattgefunden hat, erschwert
jetzt den Zugang von Solisten und Ensembles nichtkommerzieller traditioneller
Volksmusik sowohl zum zentralen Fernsehen und Radio als auch zu den regionalen
Kanälen.
Unsere Perspektiven
Alle Menschen, die das Schicksal der einheimischen Kultur in Russland
nicht kalt lässt, studieren heute Multimediatechnologien und korporative
Informationsnetze des Internets. Man denkt dabei an die Möglichkeiten der modernen
Informationstechnologien bei der Erhaltung traditioneller Kultur, und die Web-Seiten im
Internet.1
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