- 230 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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und gar kein Zufall, dass allgemeine Informationen über die Volkskultur – z. B. in Büchern über traditionelle Riten von G. G. Frazer, E. B. Tylor u. a. – in Russland im Zeitraum zwischen 1918 bis 1985 nicht herausgegeben wurden.

Warum brauchen uns die Massenmedien nicht?

Seit Anfang der 1990er Jahre zeigen sich in der Kultur immer deutlicher negative sozialökonomische Tendenzen. Die Schaffung des nichtkommerziellen staatlichen Kanals Kultur im Zentralen Fernsehen verbesserte die Situation nur im Bereich der professionellen Kunst, denn dieser Kanal spezialisiert sich ausschließlich auf die Verbreitung unbekannter Werke der klassischen Kunst: der zur Stalinzeit verbotenen Dichter, Maler usw. Probleme der traditionellen Volkskultur werden vom Kanal nicht berührt, und regionale Festivals der Volkskunst werden von den zentralen Sendern des russischen Fernsehens nicht wahrgenommen.

In den letzten fünfzehn Jahren bringt das Fernsehen nur einige monatliche Programme musikalischer Laienkunstgruppen: Spiel die Ziehharmonika! und Ech, Semjonowna; und der Allrussische Rundfunk sendet das Programm Die Stimmen Russlands. Alle diese Programme klammern die traditionelle russische Kultur fast vollständig aus. So werden zum Beispiel in der Sendung Ech, Semjonowna von den regionalen Ensembles Vierzeiler (Tschastuschki) und Lieder schlechter künstlerischer Qualität gesungen, die als »echte« Folklore ausgegeben werden. Ebenso verfährt man in der Fernsehsendung Spiel die Ziehharmonika!. Den Jugendlichen werden ordinäre Straßenlieder aus den 1920er Jahren präsentiert.

Bis in die 1990er Jahre war die Situation dank der regionalen Fernseh- und Radiokanäle, die lokalen künstlerischen Ensembles bedeutend mehr Zeit widmeten, etwas besser. Das betraf vor allem Autonome Republiken wie Tschuwaschien, Tatarstan, Burjatien, Jakutien, die Regionen Krasnodar und Krasnojarsk u. a. Neue Volksmuseen wurden gegründet und in den lokalen Massenmedien präsentiert, unter ihnen das Bier-Museum in Sankt Petersburg, das Samovar-Museum in Tula, das Spinnrad-Museum in Archangelsk, das Filzstiefel-Museum in Kostroma und das Fischerei-Museum im Dorf Ikrjanoe des Astrachaner Gebiets. Die allgemeine Kommerzialisierung, die in den letzten fünfzehn Jahren in Russland leider stattgefunden hat, erschwert jetzt den Zugang von Solisten und Ensembles nichtkommerzieller traditioneller Volksmusik sowohl zum zentralen Fernsehen und Radio als auch zu den regionalen Kanälen.

Unsere Perspektiven

Alle Menschen, die das Schicksal der einheimischen Kultur in Russland nicht kalt lässt, studieren heute Multimediatechnologien und korporative Informationsnetze des Internets. Man denkt dabei an die Möglichkeiten der modernen Informationstechnologien bei der Erhaltung traditioneller Kultur, und die Web-Seiten im Internet.1

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1   Siehe z. B. die Materialien der V. Allrussischen Beratung der Leiter der Informationsdienste für Kultur und Kunst Elektronische Ressourcen der Rossinformkultur: Realien und Perspektiven, 21.–24.09.2004, Smolensk. Die Beratung fand unter der Ägide des UNESCO-Programms Information für alle in Russland statt.


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