- 214 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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Hörst du mein heimliches Rufen,
öffne dein Herzkämmerlein!
Hast du heute Nacht auch lieb an mich gedacht,
dann darf ich im Traum bei dir sein 

Jene Refrain-Parodie aber, zweifellos in spontaner Kreativität im Zorn über den vom NS-Regime immer noch weitergeführten aussichtslosen Krieg und damit auch über die alliierten Bombenangriffe auf die deutschen Städte entstanden, zugleich aber ebenfalls mit einem Anflug von Galgenhumor gewürzt und offensichtlich während eines solchen Bombardements »herausgeflucht«, lautete:34

Rühmkorf, Peter: Über das Volksvermögen. Exkurse in den literarischen Untergrund. Reinbek: Rowohlt, 1969. S. 172.-->

34   Rühmkorf, Peter: Über das Volksvermögen. Exkurse in den literarischen Untergrund. Reinbek: Rowohlt, 1969. S. 172.

Hörst du mein heimliches Fluchen
Kreiz [Kreuz] Kruzifix Sakrament!
Wird denn heute Nacht / Überhaupt koa [keine] Rast net [nicht] gmacht,
Jo hat denn der Tschach35

Tschach ist laut dankenswertem Hinweis der beiden Wiener Volksmusikforscherinnen Helga Thiel und Ursula Hemetek ein in Wien bis heute gebräuchlicher jiddischer Ausdruck für Qual und Mühsal.-->

35   Tschach ist laut dankenswertem Hinweis der beiden Wiener Volksmusikforscherinnen Helga Thiel und Ursula Hemetek ein in Wien bis heute gebräuchlicher jiddischer Ausdruck für Qual und Mühsal.

nie ein End?

5. Wo die Nordseewellen spülen an den Strand

Zum Objekt verschiedener regimekritischer Umdichtungen wurde auch das schon 1908 von Simon Krannig komponierte und von Friedrich Fischer Friesenhausen und Martha Müller-Graehlert getextete Nordseewellen-Lied: ein auch als Friesenlied bekannt und zum Evergreen gewordenes Heimatlied, das nicht nur in die NS-Soldatenliederbücher einging, sondern sowohl in der NS-Zeit als auch – u. a. von Lale Andersen gesungen – noch danach in Rundfunksendungen so oft erklang, dass es sowohl Aufnahme ins Lexikon des deutschen Schlagers als auch in die Chronik deutscher Unterhaltungsmusik fand.36

A. a. O. s. Anm. 11.-->

36   A. a. O. s. Anm. 11.

Sein originaler Refrain lautet:

Wo die Nordseewellen spülen an den Strand,
wo die gelben Blumen blühn ins grüne Land,
//: wo die Möwen schreien schrill im Sturmgebraus,
da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus, : //.


Wenigstens drei thematisch z. T. unterschiedliche Belege regimekritischer Parodien dieses Refrains sollen hier angeführt werden, die miteinander verbindet, dass sie illusionslos die Kluft zwischen der Heimatidylle der Nordsee und der realen Gegenwart bloßstellten.

Die erste dieser Parodierungen37

Dokument NS 59. Material zum NS Projekt.-->

37   Dokument NS 59. Material zum NS Projekt.

erweist sich als eine derbe Abrechnung mit dem seelenlosen Drill vormilitärischer Ausbildung im Rahmen des bereits 1935 vom Regime verpflichtend eingeführten Reichsarbeitsdienstes der »Arbeitsmänner«, hier aus Lothringen 1941/42:

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