- 209 -Probst-Effah, Gisela (Hrsg.): Musikalische Volkskultur und elektronische Medien 
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wie eine Antinationalhymne«17

Ebd.-->

17   Ebd.

darstellte und für die Singenden damit eine umso größere Gefährdung bedeutete. Beispiele sind:

Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei:
zuerst Adolf Hitler, dann seine Partei.

oder:

erst geht der Führer und dann die Partei.

– eine Version, deretwegen es z. B. 1943 in Braunschweig zu einer Verhaftung kam, wie aus einem Bericht des Staatssicherheitsdienstes hervorgeht. Folgende »Meldung wichtiger staatspolizeilicher Ereignisse« findet sich dort:18

Berichte des SD und der GESTAPO über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934–1944. Bearb. Heinz Boberach. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1971. S. 822 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen. Bd. 12).-->

18   Berichte des SD und der GESTAPO über Kirchen und Kirchenvolk in Deutschland 1934–1944. Bearb. Heinz Boberach. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag, 1971. S. 822 (= Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen. Bd. 12).

Die Stapostelle Braunschweig nahm am 4.5.1943 die frühere katholische Heimleiterin Arztwitwe M[…] H[…], geb. […] zu Hamburg – wohnhaft in Bad Gandersheim – wegen fortgesetzter staatsabträglicher Äußerungen fest. Sie wurde am gleichen Tage dem Amtsgericht Gandersheim zugeführt, das Haftbefehl gegen sie erließ. Die Beschuldigte hatte in einem Reservelazarett in Bad Gandersheim folgendes Gerücht verbreitet: »In Braunschweig sind in letzter Zeit Demonstrationen durchgeführt worden, bei denen HJ- und SA-Führer das Lied sangen: ›Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, erst geht der Führer und dann die Partei!‹«

Ganz ähnlich lautet die Fassung:

 im März geht der Führer, im April die Partei.19

Material S 3 u. a. zum NS-Projekt.

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19   Material S 3 u. a. zum NS-Projekt.

– die ähnlich auch in weit verbreiteten Varianten belegt ist, so u. a. aus München, Freiburg, Köln, Neuss, Essen und Oberschlesien.

Als das Regime aufgrund verschiedener Verhöre und Verhaftungen wegen des Singens solcher Anti-NS-Parodien des Refrains erkannte, dass dieses – paradoxerweise vom Regime selbst im Rahmen eines bezeichnenden kriegsbezogenen internen Wettbewerbs für »optimistische Schlager« preisgekrönte und promotete – Lied vom einsam »Wache schiebend« an seine Liebste Hanne denkenden Frontsoldaten sogar auch ohne Parodierung – also schon im Originalwortlaut – als »defaitistische« Äußerung von Kriegsüberdruss und Freiheitssehnsucht verstanden werden konnte und auch benutzt wurde, hatte dies zur Folge, dass man den Texter Kurt Feltz zum Verhör in Joseph Goebbels’ Reichspropagandaministerium einbestellte, zumal man munkelte, er selbst habe eine zersetzende Zweitfassung gleich mitgeliefert. Diese lautete:

Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei,
im Herbst geht der Führer und im Mai die Partei.20

Mezger, Werner: Schlager. Tübingen 1975. S. 139. -->

20   Mezger, Werner: Schlager. Tübingen 1975. S. 139.

Man versuchte dort, ihn nach Hintergedanken auszuhorchen, konnte ihm jedoch eine absichtliche Verunglimpfung des Regimes so wenig nachweisen, dass er straflos in Freiheit blieb.


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