Witold
Szalonek hat 1998 im Zuge einer Reihe von sechs Präludien für Klavier
die Berceuse komponiert, die er Brunhilde
Sonntag gewidmet hat. Dieser Berceuse gilt
das hier vorgestellte und reflektierende Bemühen, einige Erfahrungen
mit Musik darzustellen. Dabei sollen die benannten »Existenzen«
von Musik zur Sprache kommen, indem zunächst der Interpret, dann einige
Hörer und letztlich der Komponist befragt wurden.
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Der Interpret
Der Interpret, der Pianist Mototsugu Harada, dem auch die Uraufführung
der Präludien anvertraut war,1
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Die Uraufführung erfolgte für die ersten drei Präludien
am 15. Juli 1997 in der Universität Hildesheim, für die folgenden
drei Präludien einschließlich der Berceuse
am 17. Juni 2000 in der Martinskirche in Seelze. |
hatte sich zunächst die großformatige Notenvorlage aus der Hand
des Komponisten so zurechtgeschnitten, daß er sie praktikabel zum Erarbeiten
des Werkes auf den Notenständer des Flügels stellen konnte. Bevor
er sein Verständnis der Berceuse erläuterte,
spielte er sie mir insgesamt vor. Dann rekapitulierte er wichtige Stationen
seiner Annäherung an diese Komposition.
Er kennt bereits drei der Präludien von Witold Szalonek durch eigenes
Musizieren und hat die Sinfonie der Rituale, Teil
II sehr beeindruckt gehört. Der Titel
Berceuse weckte bei ihm sofort Erwartungen, die von der
Berceuse Frederik Chopins ausgehen. Er war also überrascht, daß
die Berceuse von Witold Szalonek in grader
Taktart geschrieben ist. Ähnlichkeiten mit Chopin konnte er gleichwohl
in der Anlage von musikalischen Fragen und Antworten finden, die entweder
taktweise oder zweitaktig erfolgen (T. 14/15)2
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Alle folgenden Taktangaben zur Berceuse
von Witold Szalonek beziehen sich auf die in diesem Band vollständig
enthaltene Notenausgabe des Werkes. Hingewiesen sei außerdem auf die
in der Internetausgabe über www.epos.uos.de online verfügbare
Einspielung durch Mototsugu Harada. |
und auch in der Wiederholung der Frage, höher und zögernd, und
der Antwort, tiefer und unsicher, die jeweils im Wechsel von piano und mezzopiano
(T. 16/17) gehalten sind. Mit Beginn der Steigerung ab T. 18 ist das doppeltaktige
Spiel von Frage und Antwort auch durch die Begleitung gestützt, wenn
Umkehrungen eingeführt sind. Diese Anlage von musikalischer Aktion und
Reaktion ist ihm bekannt, unter anderem auch aus der Musik Chopins. Auch
die Steigerung des »poco deciso e crescendo« in doppeltaktigen
Sequenzen (T. 18–25), die im T. 26 mit den Sechzehntelnoten einem musikalischen
Höhepunkt zustreben, gehören zu diesen vertrauten musikalischen
Mitteln.
Die Einleitung der Berceuse aber zeigt,
daß bei Szalonek eine andere Intention gilt als bei Chopin (T. 1–7).
Die rasante Steigerung, »accelerando
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