- 58 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Witold Szalonek hat 1998 im Zuge einer Reihe von sechs Präludien für Klavier die Berceuse komponiert, die er Brunhilde Sonntag gewidmet hat. Dieser Berceuse gilt das hier vorgestellte und reflektierende Bemühen, einige Erfahrungen mit Musik darzustellen. Dabei sollen die benannten »Existenzen« von Musik zur Sprache kommen, indem zunächst der Interpret, dann einige Hörer und letztlich der Komponist befragt wurden.

1 Der Interpret

Der Interpret, der Pianist Mototsugu Harada, dem auch die Uraufführung der Präludien anvertraut war,1

1 Die Uraufführung erfolgte für die ersten drei Präludien am 15. Juli 1997 in der Universität Hildesheim, für die folgenden drei Präludien einschließlich der Berceuse am 17. Juni 2000 in der Martinskirche in Seelze.
hatte sich zunächst die großformatige Notenvorlage aus der Hand des Komponisten so zurechtgeschnitten, daß er sie praktikabel zum Erarbeiten des Werkes auf den Notenständer des Flügels stellen konnte. Bevor er sein Verständnis der Berceuse erläuterte, spielte er sie mir insgesamt vor. Dann rekapitulierte er wichtige Stationen seiner Annäherung an diese Komposition.

Er kennt bereits drei der Präludien von Witold Szalonek durch eigenes Musizieren und hat die Sinfonie der Rituale, Teil II sehr beeindruckt gehört. Der Titel Berceuse weckte bei ihm sofort Erwartungen, die von der Berceuse Frederik Chopins ausgehen. Er war also überrascht, daß die Berceuse von Witold Szalonek in grader Taktart geschrieben ist. Ähnlichkeiten mit Chopin konnte er gleichwohl in der Anlage von musikalischen Fragen und Antworten finden, die entweder taktweise oder zweitaktig erfolgen (T. 14/15)2

2 Alle folgenden Taktangaben zur Berceuse von Witold Szalonek beziehen sich auf die in diesem Band vollständig enthaltene Notenausgabe des Werkes. Hingewiesen sei außerdem auf die in der Internetausgabe über www.epos.uos.de online verfügbare Einspielung durch Mototsugu Harada.
und auch in der Wiederholung der Frage, höher und zögernd, und der Antwort, tiefer und unsicher, die jeweils im Wechsel von piano und mezzopiano (T. 16/17) gehalten sind. Mit Beginn der Steigerung ab T. 18 ist das doppeltaktige Spiel von Frage und Antwort auch durch die Begleitung gestützt, wenn Umkehrungen eingeführt sind. Diese Anlage von musikalischer Aktion und Reaktion ist ihm bekannt, unter anderem auch aus der Musik Chopins. Auch die Steigerung des »poco deciso e crescendo« in doppeltaktigen Sequenzen (T. 18–25), die im T. 26 mit den Sechzehntelnoten einem musikalischen Höhepunkt zustreben, gehören zu diesen vertrauten musikalischen Mitteln.

Die Einleitung der Berceuse aber zeigt, daß bei Szalonek eine andere Intention gilt als bei Chopin (T. 1–7). Die rasante Steigerung, »accelerando


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