- 47 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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und Quinte ist nicht zu leugnen, ebenso treten Terz und Sekunde als weitere akkordkonstitutive Intervalle in Erscheinung.

Die Empfindungen todesverhafteter Resignation und tiefer Melancholie der Dichterin finden ihre Widerspiegelung in den zuvor erwähnten prädominant fallenden Bewegungstendenzen der Linien, die ihren Tiefpunkt erreichen in der den »Fall in den Abgrund des Tiefsinns« (Lægreid, 225) markierenden Textstelle: »der bleierne Schatten, der niederfällt/lastet grabesschwer.« (ebd.) Die aufstrebenden Linien, die zuweilen im musikalischen Kontext in Erscheinung treten, deuten jedoch die Möglichkeit des Aufstieges aus den schwärzesten Stadien der Melancholie an. Schließlich wird sogar der resignative Charakter der fallenden Linien in den absteigenden Triolen des vorletzten Taktes durch deren Tonalitätscharakter, verstärkt durch ihr analoges harmonisches Umfeld, aufgehoben. Der tödliche Ausgang scheint noch einmal abgewendet: »gibt es für das Ich« doch »die Rettung in ›Meine Wunder‹, die sich entziehende Bewegung in das dritte Gedichtbuch.« (Lægreid, 122)

Das vierte Lied beginnt mit der Wiederaufnahme der charakteristischen, an das erste und zweite Lied gemahnenden wellenartigen Bewegungsfiguren, deren intervallische Strukturen (Quinte–kl. Sexte–Quarte–gr. Sekunde) ebenfalls in direkter Relation zu den Anfangstakten beider zuvor erwähnter Lieder, aber auch zur Akkordstruktur des dritten Liedes stehen; die kleine Terz des ersten Liedes erscheint im vierten Lied zur großen Terz resp. als deren Umkehrung zur kleinen Sexte erweitert. Im Takt 2 tritt, bereits direkt nach Einsatz der Gesangsstimme, die kleine Sekunde (h–ais) als essentielles konstitutives Intervall hinzu, wodurch eine weitere enge Verknüpfung insbesondere zum dritten Lied hergestellt wird. Eine zusätzliche strukturelle Verbindung zu den vorangehenden Liedern offenbart sich im Rhythmischen. Die schwingenden Dreiergruppen des Sechsachteltaktes aus dem ersten Lied erscheinen im zweiten und vierten Lied als Achtel-Triolen, oftmals in Verbindung mit vorangehenden oder nachgestellten Achtelnoten und/oder einem anschließenden rhythmischen Schwerpunkt. Darüber hinaus tritt wiederum das rhythmische Modell der punktierten Viertel- mit nachfolgender Achtelnote als Reminiszenz an das Charakteristikum der ›Cello-Kantilene‹ aus dem dritten Lied in Erscheinung.

Im Verlauf der Gesangsstimme verändern sich vorübergehend Quinte und Quarte durch leichte Kontraktion resp. Expansion zum tritonischen Intervall, ein Vorgang, der in den bereits bekannten rhythmischen Kontext von Triolen und Punktierungen mit nachfolgenden Achteln eingebunden wird. Insgesamt erscheint überhaupt der rhythmische Ablauf dieses vierten Liedes von entsprechenden Strukturen seiner drei Vorgänger durchwoben: punktierte Viertelnoten mit anschließender Achtelbewegung, Triolenfiguren in Kombination


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