- 379 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
  Erste Seite (2) Vorherige Seite (378)Nächste Seite (380) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

ein Auge aus, steckt ihm in Brand das Haus!/ Hoch der Frohsinn, hoch der Humor!«

Der ›Humor‹ erreicht seinen Höhepunkt, wenn Siegfried Gunther im Ehebett vertreten soll. Gunther: »Brunhilde, mach auf, mein Engel, mach auf!/ Es soll dir ja alles vergeben sein./ Ich bin’s, dein Männchen, mach auf, laß mich ein,/ du kriegst auch ’ne prachtvolle Brosche!« Dabei benimmt er sich äußerst ungeschickt, so daß Brunhilde motzt: »Teufel nochmal, bist du total übergeschnappt?/ So ein Skandal mitten in der Nacht. Nimm dich in acht!« Und zu Siegfried, den sie für Gunther hält: »Ach lieber König Gunther, ach, mitunter bist du gar so schwach,/ und gar so stark mitunter. Ich liebe dich, denn du bist stark, [...]« Im Hintergrund brummt der beobachtende Gunther: »Ich traue dem Halunken nicht,/ er tut noch mehr als seine Pflicht.«

Nachdem die ganze Sache aufgeflogen ist, soll Hagen weiterhelfen. Gunther: »Ach Hagen, tu mir den einzigen Gefallen und steh mir im Zweikampf bei!/ Wenn ich im Duelle dem Wütrich mich stelle, so hackt er mich einfach zu Brei.« Hagens Antwort: »Es ist allerdings peinlich und äußerst wahrscheinlich, daß Siegfried den König besiegt,/ dieweil bei Duellen in Ehebruchsfällen der Gatte fast stets unterliegt.« Der Chor gibt wieder kräftig Zunder und hetzt ordentlich: »Nun so laßt uns denn Siegfried ermorden, und lustig fließe sein Blut!/ Ist er erstmal ein Engel geworden, dann geht alles noch einmal so gut.« Kriemhild: »Und wenn wer fragt, dann wird gesagt«, Brunhild: »[...] er starb per Zufall auf der Jagd.« Das glückliche Ende wird schnell auf einen gemeinsamen Nenner gebracht: »Drum denke ich mir, wir machen der Sache ein End,/ und einigen uns jetzt auf fünfzig Prozent./ Denn so verliert ihr mich gänzlich, und so zur Hälfte doch blos./ Im Guten geht alles famos!«

Siegfrieds Angebot, d.h. Entschluß zur Polygamie, spiegelt zwar die unausgesprochene Moral der Gesellschaft wider, ist aber nicht gerade vorbildlich für die Jugend. Ganz abgesehen von der makabren Aktualität gewisser Textpassagen dürften auch die musikalischen Qualitäten des Werkes nicht ganz ausreichen, um etwaige pädagogische Bedenken auszuräumen. Eine Wiederaufnahme ins Repertoire irgendeiner Bühne ist ohnehin ziemlich unwahrscheinlich.

Emmerich Kálmán (1882–1953), ein gebürtiger Ungar, versuchte durch modernisierte amerikanische Tanzstile eine Verbindung der neuen mit der alten Welt auf die Bühne zu bringen (Onestep, Shimmy, Foxtrott, Charleston). In seiner Csárdásfürstin u.a. Operetten verblassen aber Csárdás und Walzer als vergangene Stilkopien; dementsprechend ist nachlassendes Interesse des Publikums verständlich. Das Aufkommen des Musicals war nicht mehr aufzuhalten und verhinderte zunächst weitere Erfolge der Wiener Operette.


Erste Seite (2) Vorherige Seite (378)Nächste Seite (380) Letzte Seite (422)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 379 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft