- 364 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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8. AUSBLICK:

F. Warschauer, Die Zukunft der Technisierung

Auf die drei grundlegenden (philosophischen, soziologischen und technischen) Beiträge folgen drei weiter aufschließende Artikel aus der Sicht des Musikhistorikers, des Komponisten und des Juristen. Weitere Aufsätze widmen sich den großen technischen Errungenschaften der Zeit, Rundfunk, Film und Schallplatte, unter verschiedenen Aspekten. Zu fragen bleibt, in welchem Maße terminologische Veränderungen des Technik-Begriffs bis zum Ende des Jahrzehnts stabilisiert werden konnten.

1. Hermann W. von Waltershausen versucht den (auch in diesem Band) inflationär benutzten Begriff der »mechanischen Musik« aufzulösen, der zeigt, »wie gedankenlos heute Schlagworte nachgeredet werden«:

»Mechanische Musik ist die des Orchestrions oder der Orgel, die durch Ablauf einer Walze erzeugt wird. Hier sind die Rhythmen, Tonhöhen und Tonlängen mehr oder weniger maschinenmäßig eingestanzt; persönlicher künstlerischer Ausdruck ist so gut wie ausgeschlossen. Schon die Schallplatte ist keine mechanische Musik, wenngleich sie ein Element von dieser enthält, nämlich die Gleichheit Tausender von Platten, die auf Grund einer Aufnahme fabriziert werden. Da aber die Aufnahme selbst persönliche Kunst ist, so erscheint nur das Vervielfältigungssystem mechanisiert. Eine solche Vervielfältigung besteht auch beim Radio, aber sie unterscheidet sich von der des Grammophons dadurch, daß die Reproduktionsmöglichkeit ausgeschaltet ist, daß also für unbegrenzt viele Hörer das Einmalige bestehen bleibt. Erst wenn die Schallplatte, aus geheimnisvollen akustischen Zusammenhängen heraus eine intime Freundin des Radio, sich zu dieser gesellt, geht es einen Schritt weiter auf dem Mechanisierungswege. Aber der Unterschied gegenüber der Walzenmusik bleibt himmelweit. Die Radiomusik wird wie alle Musik erst dann mechanisiert sein, wenn die Musik überhaupt dieses Schicksal erfahren haben wird; Voraussetzung hierfür ist aber die Mechanisierung des ganzen Menschen. Zugegeben, daß gefährliche Bestrebungen bestehen, die Kultur zu mechanisieren! Radio und Schallplatte können auf diesem Wege dienend mitarbeiten, müssen dies aber keineswegs. [...] Ein bekannter Dichter sagte mir einmal, im Grunde habe die Mechanisierung der Dichtkunst ihren Anfang bereits mit der Erfindung der Buchdruckerkunst oder vielleicht schon der Schrift genommen. Der eigentliche, rein künstlerische Typus sei der singende und rezitierende Barde. Hier liegt der gleiche Denkfehler, dieselbe Verwechslung zwischen Mechanisierung des Wesens und der Vervielfältigung vor.« (v. Waltershausen, in: Kestenberg 1930, 302f.)

Ähnlich argumentiert Frank Warschauer:


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