- 362 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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und konnte nur selten zu ›gültigen‹ Ergebnissen durchdringen. (Dieses wäre etwa am Werk Hindemiths leicht zu belegen, ohne allerdings die Bedeutung dieser Arbeitsphase für seine weitere Entwicklung zu verkennen.)

Wenn besonders am Ende des Jahrzehnts Stimmen laut wurden, die den »neusachlichen« Trends »banausische Zünftigkeit«, »Ausschalten der Gefühlskraft« und »musikantisch geschwätzige, inhaltsarme mechanische Geläufigkeit und Kontrapunktik um jeden Preis« (Heinz Tiessen, zit. n. Hermand/Trommler 1978, 339) vorwarfen, so läßt sich dieses nicht von den allgemeinen gesellschaftspolitischen Polarisierungen der Zeit trennen. Viele in die demokratisierende Wirkung der Technik gesetzten Hoffnungen, seien es in die Musik integrierte technische Einflüsse oder reine Reproduktionstechniken (»Kunst für alle«), hatten sich als falsch erwiesen. Konzertsäle und Opernhäuser blieben »das Reich weniger, die Technik, das Reich aller, wie sollten diese heterogenen Gebiete eine Verbindung eingehen können?« (Kestenberg 1930, 6). Dagegen verlegte sich die Musikindustrie mehr und mehr auf jene Massenartikel, die der schnellen Amortisierung und Vermehrung des eingesetzten Kapitals dienten und für die ein künstlerischer Anspruch eher hinderlich war.

Der Begriff ›Technik‹ erweist sich im Zusammenhang mit der Musik um 1930 als wesentlich differenzierter als noch zu Beginn des Jahrzehnts. Allerdings blieb offen, welche Konsequenzen die technische Entwicklung für die Kunst hatte, die ja als das Aschenbrödel unter den Lebensformen abseits der Zeitbewegung steht und als »antidemokratisch, ja im Grunde fast antitechnisch« erscheint (vgl. Kestenberg 1930, 6) Kestenberg spricht von der »akzessorischen« Bedeutung der (damals wesentlich noch reproduktiven) Technik in künstlerischer und von den »transformatorischen« Einflüssen in ökonomischer, politischer und gesellschatlicher Hinsicht. Entsprechend der sehr unterschiedlichen Einschätzung alles Technischen und mit der zunehmenden Technisierung in allen Lebensbereichen verstärkten sich positive und negative Bewertungen der Folgeerscheinungen. Damit wurde aber der Technik-Begriff selbst Gegenstand zunehmend gegensätzlicher Wertassoziationen. In dieser Situation versuchte Kestenberg, grundsätzliche Klärungen herbeizuführen.

Kestenbergs Sammelband Musik und Technik kennzeichnet in 19 Einzelbeiträgen den Diskussionsstand in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. Zur groben Orientierung über die behandelten Themenkreise sei hier das Inhaltsverzeichnis mitgeteilt:

1. PHILOSOPHISCHE UND TECHNISCHE GRUNDLAGEN:

E. Cassirer, Form und Technik


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