[...] dem altrussischen Kirchengesang
entnommen« ist, und er fährt fort: »Doch wird es ziemlich
frei behandelt: diatonische Themen werden zu chromatischen, ihre Intervalle
werden erweitert oder eingeengt, durch absichtlich komplizierte Spieltechnik
wird eine Instabilität der Tonstufen erzielt, was zu Chorwirkungen führt.« (Festschrift,
S. 122f.) Valentina Cholopowa und Jewgenija Tschigarjowa haben dem Werk
eine ausführliche Besprechung gewidmet,15
15
Vgl. Cholopowa und Tschigrajowa, 182–188; die Hinweise auf die Vorlagen
stammen offenkundig von Schnittke selbst, denn ohne dieses Wissen könnte
man bei der engen Verwandtschaft, oft Identität der Melodien ebenso
gut andere Vorlagen annehmen. |
in der sie besonders von dem Stichwort ›Chorwirkungen‹ ausgehen und eine
imaginäre Szenerie beschreiben; die beiden Autorinnen teilen auch mit,
welche Stücke Schnittke zitiert hat. Sie gehen allerdings kaum auf die
Verarbeitung und gar nicht auf die Texte ein; das soll hier nachgeholt werden.
In dem knappen Eingangssatz, der wie ein Präludium wirkt, mögen
Flageolett-Klänge, Kanons im Abstand einer kleinen Sekunde, generell
Dissonanzballungen und Mikrointervalle für Schmerz und Trauer stehen.
Basis und Ausgangspunkt ist der dreistimmige Hymnus
Der Name des Herrn sei gelobt von Ewigkeit
zu Ewigkeit (Beispiele 4 und 5).
Schnittke verfährt so, daß er einzelne Intervalle, die aufsteigende
Sexte aus der Oberstimme, das Quart-Pendel aus der Unterstimme, und kurze
melodische Einheiten separat verarbeitet. An den Anfang stellt er den Quartaufgang
aus dem Schluß des Hymnus, hier durch den Sekundkanon und den anschließenden
Krebsgang in allen vier Stimmen verfremdet; erst ganz am Ende erklingt das
vollständige Zitat (mit frei hinzukomponierter Oberstimme), und zwar
ab den Worten »zu Ewigkeit« bzw. »bis in Ewigkeit«.
Diese vier Takte und mit ihnen die Aussage ihres Textes fungieren wie eine
Art Motto; sie kehren im Finale (T. 28–31) notengetreu und am Ende des
zweiten Satzes (T. 128–131) mit vertauschten Stimmen und anderem Kontrapunkt
wieder. Kernstück des Quartetts ist der zweite Satz, der Form nach ein
schlichtes Rondo. Sein Hauptthema beruht auf dem langen, melismatischen Hymnus
Und die Cherubim, im Geheimen gestaltend ... (Beispiel 6).
Schnittke spannt die drei Choralstimmen in ein ruheloses Perpetuum mobile,
wie man es aus zahlreichen seiner Werke kennt;16
16
Vgl. z.B. das Rondo aus dem ersten Concerto grosso (1977), den zweiten
Satz der ersten Cellosonate (1978), den zweiten Satz aus dem Bratschenkonzert
(1985). |
dieser Satztypus ist bei ihm fast immer negativ konnotiert, etwa als Sinnbild
des Gehetzt-Seins, des sinnentleerten Immer-Gleichen, auch des Banalen.
17
17
Vgl. dazu Dorothea Redepenning: Eine zerbrochene
Spieluhr. Zur Funktion des Banalen in Alfred Schnittkes Schaffen,
in: MusikTexte, Heft 78, März 1999, 42–48. |
Hier scheint die Semantik
|