liturgischer Gesänge, die außerdem für
den liturgischen Gebrauch komponierte Musik des 16. und 17. Jahrhunderts
enthält. Dieses Buch wurde zur Inspirationsquelle für zahlreiche
Komponisten; es fand einen solchen Anklang, daß es 1971 eine Neuauflage
erlebte.
Die Hymnen, die sich alle vier durch eine
sehr dunkle, teilweise sogar bizarre Instrumentation auszeichnen,11
11
Nr. 1 für Cello, Harfe und Pauken, Nr. 2 für Cello und
Kontrabaß, Nr. 3 für Fagott, Glocken, Cello und Cembalo, Nr.
4 für alle sieben in Nr. 1 bis Nr. 3 beteiligten Instrumente.
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wirken auf den ersten Blick tatsächlich wie eine Art Stilübung
im ›Intonationssystem der alten russischen Kirchenmusik‹, wie an der ersten
Hymne12
12
Zugrunde liegt der Hymnus Swjatyj Boshe
(Heiliger Gott), Uspenskij Nr. 89, S. 165; darauf machen Cholopowa
und Tschigrajowa (S. 104) aufmerksam. Die Zitate in den anderen drei
Hymnen sind bislang nicht nachgewiesen. |
gezeigt werden soll. Der Form nach handelt es sich um eine Variationsreihe,
deren Thema erst ganz am Schluß in originaler und vollständiger
Gestalt erscheint; der Text zu dem Hymnus lautet: »Heiliger Gott, heiliger
Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser. Von Ewigkeit zu Ewigkeit,
amen. Heiliger Unsterblicher, erbarme dich unser.« (Siehe Beispiel 1)
Schnittke stellt drei zehntönige Akkorde voran, die als gliedernde
Zäsur vollständig bzw. auf einen oder zwei Akkorde reduziert zwischen
die Variationen treten (T. 22, T. 39, T. 58, T. 90–93;
die vierte und fünfte Variation sind nicht durch Akkorde getrennt) und
die auch den Schluß des Satzes bilden. Die drei diatonisch absteigenden
Schritte der Pauke entsprechen am Anfang (d–c–b) dem Ambitus der Oberstimme,
am Schluß (b–a–g) dem Ambitus der Mittelstimme des Hymnus (Beispiele
2a und 2b, T. 1–3 und T. 127–130).
Die erste Variation (T. 3–21) verwendet in kargem, meist nur zweistimmigem
Satz in tiefster Lage lediglich Fragmente, streng genommen nur das Sekund-Pendel
aus dem Hymnus (Mittelstimme, 2. System). In der zweiten Variation (T. 23–38)
konkretisiert sich das Zitat, indem in der Pauke die Unterstimme der Vorlage
mit ihren exakten Notenwerten und um eine kleine Terz tiefer transponiert
erscheint. In der vierten und fünften Variation (T. 40–57, T. 59–73)
verarbeitet Schnittke die Oberstimme in unterschiedlichen Transpositionen
und im Kontrapunkt bzw. Kanon mit sich selbst. Umkehrungen der Intervalle
(Harfenbaß in der dritten, Cello in der vierten Variation) verfremden
den Bezug zur Vorlage (Beispiel 3).
In der fünften Variation schließlich (T. 74–89) erscheint
die Oberstimme in der Pauke in originaler Tonhöhe; die metrische Gliederung
zerstört allerdings jeden Textbezug. Der dreistimmige Satz der Vorlage
erklingt in der sechsten Variation (T. 94–109); er wird im Kanon im
Abstand einer ganzen Note geführt, so daß sich Zusammenklänge
ergeben, die den Zäsur-Akkorden
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