Gerd Rienäcker
Hanns Eisler über Intelligenz und Dummheit
in der musikalischen Interpretation.
Ansätze zu einer Interpretationsästhetik?
Vielfach äußert sich Eisler über gute und schlechte Aufführungen,
und daß er die Begriffe Aufführung und Interpretation gleichsetzt,
ist des Merkens würdig. Was immer er jedoch anmerkt, beobachtet, behauptet,
läßt sich zu einer halbwegs konsistenten Theorie bzw. Ästhetik
der Interpretation nicht zusammenfügen – zu sehr ist sein Musik-Denken,
ist die ihm zugrundeliegende Praxis in Veränderung begriffen. Ohnehin
gereichen Kataloge, in denen relative Invarianten aufgelistet sind, dem tatsächlichen
Umgang mit Eislers Werken schwerlich zum Vorteil. Und der Frage nach ihrem
Belang gesellt sich die Befürchtung, daß alle je aufgelisteten
Maximen zu Schlagworten mutieren, mit denen, so Eisler, man Menschen erschlägt
– in diesem Falle kreative Musiker –, oder zu richterlichen Alpträumen,
die jeglicher Eigenwilligkeit im Umgang mit Eisler unheilvoll begegnen.
Mithin kann, ja darf der mit Auflistungen befaßte Musikologe sich
nicht zum Richter, zur richterlichen Keule aufschwingen bzw. degradieren.
Ganz im Gegenteil: Ich will meiner Freude über Heiner Goebbels montagenhaft
strukturiertes »Eisler-Material« und Hans Eckehard Wenzels Hanswurst-Kommentationen,
beides zum Hanns-Eisler-Jubiläum 1998 entstanden und uraufgeführt,
keinerlei philologische Schranke auferlegen. Drei Schritte seien versucht:
Zum einen gilt es wenige, aber signifikante Äußerungen zu befragen;
zum anderen interessiert mich Eisler als Interpret eigener und fremder Werke;
schließlich und endlich will ich einigen Parametern des Interpretationsbegriffs
nachgehen und fragen, inwieweit sie für Eislers Anschauungen relevant
sein könnten. Daß ich vorwiegend Fragen stelle, ist der Sache
geschuldet. Es gibt wenig Antworten und hoffentlich keine Rezepte.
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Zu einigen Äußerungen
1. »Was soll ich noch auf meine Noten raufschreiben,...« (vgl.
u.a. Bunge 1975, 149). Derlei ist oft zu hören: Sei es, daß Interpreten
aus einem Andante
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