- 205 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Tanten und Onkeln, die ihm keinerlei Beachtung schenkten. Fröhlichkeit und Ausgelassenheit waren seltene Gefühlsausbrüche in der Familie Kreisler.

3 Emigration nach Amerika

Für den 16 Jahre alten Georg Kreisler begann mit der Emigration nach Amerika 1938 ein neuer Lebensabschnitt. Die Erfahrungen, die er in dieser Zeit machte, beeinflußten seine spätere Laufbahn als Musiker, Komponist und Kabarettist entscheidend.

An der University of South California vervollständigte Georg Kreisler sein Musikstudium, indem er Kurse für Dirigieren, Komponieren und Orchestrieren belegte. Um sein Studium zu finanzieren, begann er, in Hollywood beim Film zu arbeiten. Über seinen Cousin Walter Reisch, der in der Filmbranche als Drehbuchautor tätig war und Kreisler dort unterbrachte, lernte er viele bekannte Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen kennen. Mit verschiedenen Nebentätigkeiten verdiente er Geld, um die teuren Studiengebühren bezahlen zu können. Er arbeitete als Klavierbegleiter von Gesangsdozenten, komponierte Untermalungsmusik für Filme, korrepetierte an der Oper oder arbeitete als Dirigent.

Das Fundament für die Laufbahn, die Kreisler nach dem 2. Weltkrieg einschlagen würde, war gelegt. Auf sich selbst gestellt, mußte er nun seinen Lebensunterhalt verdienen. So arbeitete er 1945/46 mit Charlie Chaplin an dessen Film Monsieur Verdoux. Chaplin konnte selbst keine Noten schreiben. Er pfiff die Melodien Georg Kreisler vor. Der schrieb sie auf und brachte sie Hanns Eisler zum Instrumentieren. Die Klaviermusik in diesem Film spielte Kreisler ebenfalls.

Im Herbst 1946 ging Georg Kreisler nach New York, um sich mit seinem Liedprogramm, das er schon während der Militärzeit zusammengetragen hatte, selbständig zu machen. Er wollte in Nachtlokalen auftreten, die ein intellektuelles Publikum mit oft skurril-abwegigen Vorlieben anzogen. Hier erhoffte er sich mehr Interesse als von jenem Publikum, das ihm auf seinen auf das ganze Land ausgedehnten wenig erfolgreichen Tourneen begegnet war. Aber auch in New York waren seine ausgefallenen Stücke nicht gefragt:

»Es waren kunstvoll gearbeitete Lieder gewesen, grotesk, versponnen und von einem skurrilen Humor, der für fast niemanden verständlich gewesen war ... ›Willst du Geld verdienen oder dich nur selber komisch finden?‹ hatte mich ein Agent gefragt. Ich mußte Geld verdienen ... Lieder, die die eingefahrene Welt auf den Kopf stellen wollten, waren nicht gefragt. Sind sie es heute? Der gewonnene Krieg war damals in Amerika noch präsent, aber der heile Amerikanismus begann trotzdem


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