Helmke Jan Keden
Kulturfassade und irrationale Ästhetik.
Die Gleichschaltung des Chorwesens im
Nationalsozialismus
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Die Reichsfachschaft für Chorwesen und Volksmusik in der Reichsmusikkammer
Mit der Gründung der Reichsmusikkammer (RMK) im Herbst 1933 innerhalb
der Reichskulturkammer wurde das gesamte Musikwesen durch Gleichschaltung
in den Dienst der Nationalsozialisten gestellt. Neben der Einrichtung weiterer
Reichskammern für Schrifttum, Film, Bildende Künste, Presse, Theater
und Rundfunk, mit denen sich die einzelnen kulturellen Bereiche wesentlich
effektiver koordinieren ließen, räumten die neuen Machthaber der
Musik einen gleichwertigen Platz für die Realisierung ihrer Ziele ein.
Getarnt wurde diese Vereinnahmung als »liebevolle, fürsorgliche
Betreuung und Pflege des gesamten deutschen Musiklebens im Rahmen der kulturpolitischen
Ziele der nationalsozialistischen Reichsregierung.« (Ihlert, 6)
Die RMK teilte sich in die verschiedenen Reichsfachschaften
Komponisten, Reichsmusikerschaft,
Konzertwesen, Chorwesen und Volksmusik
, Deutscher Musikalien-Verleger-Verein
, Reichsverband der deutschen Musikalienhändler
und die Arbeitsgemeinschaft Reichsmusikkammer – Musikinstrumentengewerbe
auf. Der Reichsfachschaft für Chorwesen und
Volksmusik bzw. den ihr angehörenden Verbänden wurde eine
besondere Bedeutung zugebilligt. So räumte Heinz Ihlert, Geschäftsführer
der RMK, dem Chorgesang innerhalb der Laienmusik die vorherrschende Rolle
ein:
»Die Reichsmusikkammer [...] betreut zugleich
das Gesamtgebiet der Laienmusikpflege,
vor allem das Chorwesen und die Volksmusikbewegung.
Hier handelt es sich nicht um die Erfassung des
einzelnen, sondern um die Vereinigungen, denen der einzelne angehört,
um sich aus Liebhaberei musikalisch zu betätigen.«
(Ebd., 9)
Diese oben beschriebene potentielle, bisher angeblich unpolitische ›Liebhaberei‹
sollte in rechte Bahnen gelenkt werden. Für diese nationalsozialistische
Indienstnahme mußten jedoch vorerst die hierzu passenden organisatorischen
Voraussetzungen geschaffen werden. So trat z.B. das einzeln musizierende
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