- 167 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Hans-Werner Boresch

An das Vaterland von Joachim Raff.
Überlegungen zum Zusammenhang von
Musik und Nationalismus im
19. Jahrhundert

»Nichts berechtigt einen Historiker [...] dazu, ein Stück Ideologie, wie es der Nationalismus in der Musik darstellt, für a priori ›außerästhetisch‹ zu erklären.« (Dahlhaus 1974, 79) Eine knappe, dabei umfassende Definition von ›Nation‹ bzw. Erklärung des Phänomens ›Nationalismus‹ dürfte unmöglich sein. Dennoch soll mit Hilfe einiger weniger Titel aus der fast unübersehbaren Literatur zu diesem Problemkreis (aktuelle Bibliographien bei Dann 1996, Echternkamp 1998, Breuilly) eine Annäherung versucht werden, um nicht im vorwissenschaftlichen Bereich der stillschweigend vorausgesetzten Übereinkunft zu verbleiben, der ein zu großes Spektrum an zu verschiedenem Vorverständnis bereithält. Gerade beim ›Nationalismus‹ scheint die Gefahr, sich im Bedeutungsgestrüpp zu verlieren, besonders groß zu sein, »da man es einerseits mit einem universalgeschichtlich vergleichbaren Phänomen zu tun hat, andererseits aber die jeweils mobilisierten ideologischen Inhalte [...] chamäleonartig ausgewechselt werden können.« (Mommsen, 170) Auf die Gefahr, Nationalismus als anthropologische Konstante zu verstehen, wies Ernest Gellner nachdrücklich hin: »Der Tatbestand, eine Nation(alität) zu besitzen, ist kein inhärentes Attribut der Menschlichkeit, aber er hat diesen Anschein erworben.« Auf dieser Basis gibt Gellner zwei provisorische Definitionen von ›Nation‹: »Zwei Menschen gehören derselben Nation an, wenn sie – und nur wenn sie – dieselbe Kultur teilen, wobei Kultur ihrerseits ein System von Gedanken und Zeichen und Assoziationen und Verhaltens- und Kommunikationsweisen bedeutet.« – »Zwei Menschen gehören derselben Nation an, wenn sie und nur wenn sie einander als Angehörige derselben Nation anerkennen. Mit anderen Worten: Der Mensch macht die Nation; Nationen sind Artefakte menschlicher Überzeugungen, Loyalitäten und Solidaritätsbeziehungen.« (Gellner 1991, 16) Mit den Worten Benedict Andersons: Eine Nation »ist eine vorgestellte politische Gemeinschaft.« (Anderson, 15) In der Perspektive eines – auch hier vertretenen – konstruktivistischen Ansatzes erscheinen, allgemein gesprochen, Gemeinschaften als


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