Tatsächlich
schälen sich denn auch nach einer nach musikalischen Kriterien vorgenommenen
Systematisierung vier zentrale Interpretationen des Selbstmords heraus, die
allesamt an Opernbeispielen zu belegen wären, weil, wenn auch gelegentlich
im Lied oder in autonomen Kompositionen angesprochen, die Beweiskraft dort
nicht jene Erhärtung erfährt, die die Oper in ihrer Verbindung
von Wort und Musik liefert. Verblüffenderweise sind bis auf wenige Ausnahmen
die Kategorien fast (musik-)historisch determinierbar. So zeigt sich, daß
der bewußte Selbstmord eine Argumentation des 19. Jahrhunderts ist
und vorher nur in der eher verhüllten Form der Erlösungsalternative
oder noch typischer als Ankündigung mit offenem Ende komponiert scheint.
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Der Suizid als bewußter Vollzug
Selbsttötung dieser Kategorie soll als Endpunkt eines verlorenen Kampfes
verstanden werden. Als Reaktion auf ein vertanes Leben, gleichgültig,
ob selbst gestaltet oder von außen aufgezwungen. Oder auch als unausweichliches
Finale. Erzähltechnisch fungiert der Selbstmord hier als Schlußformel
einer Handlung – nahezu alle Beispiele für diese Form des Suizids stehen
am Ende eines Werkes. Deren repräsentativstes vielleicht ist der Schluß
von Puccinis Madame Butterfly, wenn sich die
Titelheldin Cho-Cho-San in der Schmach verlorener Ehre japanisch-harakirisch
in den Dolch stürzt.
In Wirklichkeit hat Giacomo Puccini mit dieser Oper nicht jene billige
Trivialgeschichte geschrieben, die ihm Kritiker immer wieder vorwarfen, sondern,
bewußt oder unbewußt, ein zentrales Problem des 20. Jahrhunderts
musikalisch angesprochen: den Konflikt verschiedener Kulturkreise mit letalem
Ausgang für den imperialistisch dominierten. Dies mag auch ein Grund
für jenes ›Danteske Inferno‹ bei der Uraufführung am 17. Februar
1904 in Mailand gewesen sein, das Puccini schwer verstörte und ihn sieben
lange Jahre schweigen ließ. Musikalisch ist diese Sicht des Dramas
ganz offensichtlich, denn Puccini hat eine Reihe originaler japanischer Lieder
in die Partitur der Butterfly eingewoben,
sogar ein Bruchstück der japanischen Nationalhymne. Er hat darüber
hinaus einen Vorschlag zur Integration geleistet, indem er mit eigenen melodischen
Erfindungen das japanische Vorbild darstellen wollte, eine Art Parodieverfahren
mit Bitonalität und viel Pentatonik. In der Instrumentierung wählte
Puccini Charakteristika der Holzbläser, Glocken und Gongs. Daß
er damit vor dem strengen Kunstgericht der Musikgeschichte scheitern mußte,
ist ebenso offensichtlich. Denn dieses Modell der Vermischung kultureller
Traditionen aus der Distanz verschiedener Kulturkreise ist noch niemals gelungen
und resultierte immer in der Banalität der gewollten
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