- 112 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Unterrichtes von ihrer ›früheren Existenz‹ als Pianistin, die unter berühmten Dirigenten konzertiert und viele Werke der Moderne zuerst aufgeführt hatte, ein Zeichen des Vertrauens zu ihren Schülern und der verhaltene Versuch, uns wissen zu lassen, wer sie war. Daß sie eine bedeutende Komponistin war, konnten wir allerdings nur ahnen, denn über ihre Kompositionen sprach Ilse Fromm kaum. Ihr Stolz verbot ihr wohl, einem Gefühl der Kränkung Raum zu verleihen.

Dabei war sie in dieser Zeit mit der Komposition ihrer Symphonie beschäftigt, die 1938 abgeschlossen wurde. Und 1944 komponierte sie die Musica Larga für Klarinette und Streichquartett. Diese beiden Werke von tiefem Ernst entstanden in den Jahren der höchsten Bedrohung durch Bombenkrieg und politische Gewalt. Sie zeugen in beeindruckender Weise davon, wie die Komponistin in der Konzentration auf ihre innere geistige Welt es vermochte, die Kraft ihres Schöpfertums den zerstörerischen äußeren Umständen entgegenzusetzen. Von großer Bedeutung wurde für sie damals die Wiederbegegnung mit dem seit langem befreundeten Dichter und Komponisten Frank Wohlfahrt. Ilse sagte dazu: »Er hat mit seinem überragenden Können, seinem Idealismus und seinem Interesse an meiner Musik ein ganz neues Komponieren in mir erweckt, und so entstanden in den schwersten Jahren meine besten und reifsten Werke, und ich habe oft an den Noten bei Bombenangriffen im Bunker geschrieben.«

Die Symphonie in c op. 19 für Orchester mit großer Bläserbesetzung besteht der Tradition folgend aus Introduktion und vier Sätzen, die aber in enger Verknüpfung der thematischen Gedanken zu einer stringent sich entwickelnden großen Einheit zusammengeschlossen sind. Vorangestellt ist dem Ganzen, quasi als Devise, ein von den Blechbläsern im Unisono vorgetragenes zwölftöniges Thema. Aus seinem Material und einem in der Introduktion exponierten an Bruckner erinnernden Quintmotiv, gefolgt von einer Sekundbewegung wird in überaus dichter thematisch-motivischer Arbeit und großer Farbigkeit der Instrumentation der gesamte Bau des komplexen Werkes mit den unterschiedlichen Charakteren seiner Sätze errichtet. Mit diesem großangelegten Werk hat Ilse Fromm-Michaels in der sehr persönlich geprägten Verbindung von Formprinzipien spätromantischer Sinfonik und einer in harmonischer Hinsicht modernen, freitonal-chromatischen Tonsprache, sowie der Spannweite der Emotionen dem Bewußtsein ihrer Zeit Ausdruck verliehen. Es ist die Sinfonie einer Frau, so die Formulierung eines Kritikers nach ihrer Uraufführung 1946 in Hamburg, »deren Ernst und charaktervolle Größe die Meinung, nur männliche Energien vermöchten Symphonien zu schaffen, widerlegt.«

Anders die Musica Larga von 1944. Dieser mit ›Largo con gran espressione‹ überschriebene Satz für Streichquartett und Klarinette gemahnt in


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