- 11 -Müßgens, Bernhard / Gieseking, Martin / Kautny, Oliver (Hrsg.): Musik im Spektrum von Kultur und Gesellschaft 
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Bernhard Müßgens
Die Komponistin Brunhilde Sonntag

Brunhilde Sonntags Erinnerungen an ihre Kindheit sprechen von schmerzlich empfundenen Erfahrungen und den vielfältigen Entbehrungen einer jungen Familie im »Dritten Reich« und während des Krieges. Sich selbst beschreibt sie als ein ziemlich kompliziertes Kind, als »nicht pflegeleicht«. Das Verhältnis zu den Eltern ist befangen. Geborgenheit empfindet sie nicht. Doch erwirbt die 1936 in Kassel geborene Komponistin unter diesen Bedingungen schon früh die Fähigkeit, Leiderfahrungen zu reflektieren. Dies kennzeichnet bis heute ihre Person und ihr kompositorisches Werk. Zuneigung und Schutz geben der jungen Musikerin Personen, die ihr durch gemeinsame musikalische Interessen nahestehen. Musik wird für sie zugleich zur Möglichkeit persönlicher Konfliktbewältigung:

»[...] Ich erinnere mich, daß ich nie richtig systematisch übte. Vielmehr faszinierte mich der Klang der Orgel, den ich mit meinen Händen erzeugte und durch Wahl der Register immer wieder neu mischen konnte und der den gesamten Kirchenraum füllte. Musik war wie ein Rausch, in den ich vollends versank. Ich genoß dies und die Einsamkeit, die ich dazu brauchte.«  (Sonntag 1986, 45)

Als Siebzehnjährige schließt sie den Unterricht an der Kirchenmusikschule in Schlüchtern mit der Organistenprüfung (C-Examen) ab. 1956 erhält sie das ›Zeugnis der Reife‹ und beginnt auf Wunsch der Eltern ein Lehrerstudium mit Wahlfach Musik am Pädagogischen Institut Jugenheim/Bergstraße. Ihr Interesse für Philosophie und Psychologie erwacht. Die musikalischen Einflüsse innerhalb des Studiums sind von der Jugendmusikbewegung bestimmt. Hans Teuscher, Leiter der musikalischen Ausbildung und Verfasser einer Schrift mit dem Titel Lebensvoller Musikunterricht, läßt sie Volksliedsätze und Kantaten schreiben. Ihre Liedkantate über Auf einem Baum ein Kuckuck saß wird mehrfach im Rundfunk aufgeführt. Teuscher führt sie in die Musik Paul Hindemiths ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg gilt Hindemith als Vorbild für junge Komponisten in Deutschland. Die Entwicklung der Reihenkomposition innerhalb der Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik führt nach 1945 innerhalb weniger Jahre zu einer Gegnerschaft gegenüber neoklassischen Tendenzen. Hindemith zählt zu den am meisten aufgeführten zeitgenössischen Komponisten. Dies erklärt seinen Einfluß auf die Lehrerausbildung der ausgehenden fünfziger Jahre.


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