Drewermann formuliert die mit dem Klang der Trommel verbundene seelische Problematik in seiner tiefenpsychologischen Deutung des Grimmschen Märchens vom "Trommler" und zeigt, daß die Trommel in der ihr eigenen, nicht von Unterhaltung und militärischem Ritual korrumpierten Funktion ein heiliges Instrument ist.
Ursprünglich dürfte die Trommel das buchstäblich erste Musikinstrument überhaupt darstellen. Man kann psychoanalytisch die begründete Meinung vertreten, daß alle Musik der ausgeprägten Sehnsucht nach einer Ureinheit und Geborgenheit entstammt, wie sie ein jeder als Kind im Schoß seiner Mutter erfahren hat; allein schon diese Sehnsucht verleiht der Musik einen wesentlich religiösen Ausdruck. Dabei ist das musikalische Erleben zunächst nicht so sehr an die Tonfolge, als vielmehr an den Rhythmus gebunden - der Herzschlag der Mutter, den das Kind Wochen vor seiner Geburt unablässig vernimmt, scheint das rhythmische Grunderleben eines jeden Menschen darzustellen. Insofern kommt speziell der Trommel die Aufgabe zu, Erinnerungen an die Zeit einer noch ungetrennten Verbundenheit mit der Mutter zu wecken und die Sehnsucht nach einem Zustand paradiesähnlicher Harmonie wachzurufen.
(Drewermann, "Der Trommler" 118)
Für Drewermann ist der "Trommler" Priester und Verkünder einer religiösen Einheit mit dem Ganzen der Welt. Er vermag den "Herzschlag der Welt" zu fühlen. Der Schlag der Trommel ist "wie der Herzschlag der Mutter Erde selbst" (Drewermann, "Der Trommler" 119). In Schönbergs Beschreibung des Mannes der Glücklichen Hand geht das Erlösermotiv als Erinnerung an die Auferstehung Jesu Christi ein. Der Fuß des Mannes zeigt eine große, offene Wunde, "wie von einem Nagel herrührend" (Vgl. S. 46 und S. 60). Seine Tragödie spiegelt sich in der Diskrepanz zwischen einer gleichsam religiösen Selbstüberhöhung und uneingestandenen natürlichen Triebregungen und Sehnsüchten.
Der nach der dreitaktigen Einleitung am Beginn des ersten Bildes einsetzende Chor der sechs Frauen und sechs Männer spricht gleichsam aus dem Halbwachzustand, in dem sich spröde, moralisierende Stimmen der Gewissensinstanz melden.
Still, o schweige; Ruheloser! Du weißt es ja; du wußtest es ja; und trotzdem bist du blind? Kannst Du nicht endlich Ruhe finden? So oft schon! Und immer wieder? Du weißt, es ist immer wieder das Gleiche. Immer wieder das gleiche Ende. Mußt du dich immer wieder hineinstürzen? Willst du nicht endlich glauben? Glaub der Wirklichkeit; sie ist so; so ist sie und nicht anders. Immer wieder glaubst du dem Traum; immer wieder hängst du deine Sehnsucht ans Unerfüllbare; ans Unerfüllbare; immer wieder überläßt du dich den Lockungen deiner Sinne; die das Weltall durchstreifen, die unirdisch sind, aber irdisches Glück ersehnen! Irdisches Glück! Du Armer! - Irdisches Glück! - Du,
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