- 171 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
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sind die Thore, haben diese die Ähnlichkeit von Bäumen des Walds. Reinheit aber ist auch Schönheit.

(Hölderlin, Sämtliche Werke 2, 372)


Henze richtet den Gesamttext zu sechs Liedern ein, die vom Kammerorchester oder von der Sologitarre begleitet werden. Zwischenspiele der Sologitarre (drei "Tentos", die als Solowerke in das klassische Gitarrenrepertoire eingegangen sind) sowie eine "Sonata" und eine "Cadenza" für Kammerorchester verbinden die Liedsätze. Das später hinzugefügte "Adagio (Epilogo)" für Kammerorchester schließt die Kammermusik 1958 ab. Auf den Einleitungssatz ("Prefazione") folgt am Beginn das erste gitarrenbegleitete Lied "In lieblicher Bläue". Von orthographischen Veränderungen abgesehen, entspricht der Text dem oben zitierten Ausschnitt. Der Satz ist "tranquillo" überschrieben. Sein Ausdruckscharakter ist dem Text entsprechend lyrisch. Der Gesang bringt die erste Zeile des Hymnus unbegleitet. Die Gitarrenstimme entwickelt ein Glockenmotiv zu den Worten: "Die Sonne gehet hoch darüber ..." (Beispiel S. 172, Takt 10-12).

     Ab Takt 20 wiederholt sich das Glockenmotiv in der Gitarrenbegleitung zum Text: "Wenn einer unter den Glocken dann herabgeht, jene Treppen ..." (Beispiel S. 173). Der Rhythmus des Glockenmotivs verbindet sich mit der Vorstellung der Bewegung einer im Kirchturm herabschreitenden menschlichen Gestalt. Die den Turm kreisend umgebenden Schwalben und die hoch darüberhergehende Sonne des vorangegangenen Liedabschnitts lassen ein lyrisches Gesamtbild von kreisend bewegter Natur und sich in ihr rhythmisch bewegender menschlicher Gestalt entstehen. Die Spiralbewegung im Kirchturm erinnert an Labyrinth und Walzer als Bewegungsfiguren der Angstverarbeitung. Der Ausdruck des Bedrohlichen, der mit der Bewegungsfigur der Spirale verbunden ist, fehlt bei Hölderlin. Glockengeläut und Spiralbewegung sind dem Text als Vorstellungsinhalte immanent. Sie bleiben unausgesprochen. Indessen sind beide sichere Anzeichen der heraufziehenden Angst.


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