- 165 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst 
  Erste Seite (I) Vorherige Seite (164)Nächste Seite (166) Letzte Seite (215)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 



1.3 Ideophone Klangsymbole


In seinen Untersuchungen über Gustav Mahlers Symphonik plädiert Constantin Floros für eine Unterscheidung allgemeiner Klangsymbole, die elementare tonräumliche, akustische, rhythmische, agogische, dynamische, harmonische sowie die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen melodischen Erscheinungen umfassen können von den ideophonen Klangsymbolen (Tamtam, Glocke, Herdenglocke, Trommel, Xylophon etc.). In der Opernmusik des 19. Jahrhunderts sowie in der Programmusik eines Hector Berlioz, Franz Liszt oder Richard Strauss werden die genannten Ideophone bewußt symbolisch eingesetzt. Tamtam und Xylophon dienen als makabre Klangsymbole, Glocken als Insignien der Nacht, des Hieratischen und Religiösen, Herdenglocken stehen für das Pastorale, die große Trommel für das Militärische (Vgl. Floros, Gustav Mahler 2, 309-310).

     In Mahlers Symphonik sind die Ideophone über ihre traditionelle Symbolik hinaus Bestandteil einer spezifischen, von Constantin Floros als "privat" bezeichneten Semantik. Der Klang des Tamtams symbolisiert "den Tod, das Tote, die Toten und -auch - den Abschied vom Tode. Das Glockengeläut ist Mahler Sinnbild der Ewigkeit, Herdenglocken aber sind ihm Klangsymbol weltferner Einsamkeit" (Floros, Gustav Mahler 2, 311). Beispiele aus Liedern und Symphonien Gustav Mahlers, die mit dem Becken- oder Gongschlag enden, und die von der Todeserfahrung handeln, erläutern das Gesagte. Floros nennt als Beispiele die Lieder Ich habe ein glühend Messer, Das irdische Leben, Des Antonius von Padua Fischpredigt sowie das Scherzo der Zweiten und Purgatorio der Zehnten Symphonie.

     Am Ende des 18. Jahrhunderts wird das Tamtam als exotisches Instrument in die europäische Kunstmusik eingeführt. Es erklingt in Francois-Joseph Gossecs Trauermarsch zum Begräbnis Mirabeaus (1791) und findet bald darauf eingang in die Oper. Bekanntere Beispiele sind Carl Maria von Webers Oberon (1826) sowie Giacomo Meyerbeers Robert le Diable (1831). In der Kirchenmusik findet das Tamtam in Luigi Cherubinis Requiem in c-moll, entstanden 1815/1816 anläßlich der kirchlichen Trauerfeier zum Gedächtnis Ludwig des XVI. Verwendung (Vgl. Floros, Gustav Mahler 2, 312). Für Hector Berlioz wirkt der "dröhnende Schall" des Tamtams oder Gongs, im besonderen in Verbindung mit Trompeten und Posaunen, "wahrhaft schaudererregend". Franz Liszt setzt das Tamtam im Credo seiner Graner Festmesse von 1855 ein. Hier erklingen vier Tamtamschläge, zwei im Cruzifixus und zwei im Judicare, letztere zur Untermalung des Wortes mortuos (Vgl. Floros, Gustav Mahler


 INHALTSVERZEICHNIS


Erste Seite (I) Vorherige Seite (164)Nächste Seite (166) Letzte Seite (215)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 165 -Müßgens, Bernhard: Musik und Angst