nur verändern sie nach dem Inhalt des Verses mit einer Art von Deklamation sowohl Ton als Maß (...).
Die Sänger spielen sich auf weite Entfernungen übers Wasser hinweg Vers auf Vers zu. So ist einer das Echo des anderen.
(...) wenn der Hörer alsdann zwischen beiden steht, so ist er am rechten Flecke.
Um dieses mich vernehmen zu lassen, stiegen sie am Ufer der Giudecca aus, sie teilten sich am Kanal hin, ich ging zwischen ihnen auf und ab, so daß ich immer den verließ, der zu singen anfangen sollte, und mich demjenigen wieder näherte, der aufgehört hatte. Da ward mir der Sinn des Gesangs erst aufgeschlossen. Als Stimme aus der Ferne klingt es höchst sonderbar, wie eine Klage ohne Trauer; es ist darin etwas unglaublich, bis zu Tränen Rührendes.
(Goethe, Italienische Reise 84-85)
Was läßt den in den Gesang vertieften Hörer sich vom jeweils Singenden abwenden? Der Topos der Seufzermelodik legt für die Bewegungsrichtung der von Goethe gehörten Melodie eine abwärtsgerichtete Tonfolge nahe. In seinem Kommentar zur Hamburger Ausgabe von Goethes Werken verweist Herbert von Einem auf Rousseaus Les Consolations des Misères de ma vie où Recueil d'Ars, Romances et Duos, Paris 1780 (Goethe, Italienische Reise 601). Doch ist der Ausschnitt aus Rousseaus Werk, den Goethe erkennt, kaum ausfindig zu machen. Bekannt sind uns Gestik und Tonfall des Gesangs, beschrieben als "Klage ohne Trauer", sowie die räumliche Ausrichtung der Gehbewegungen des Hörers in bezug auf die Sänger. Der Gesang ist metrisch ungebunden. Dennoch faßt Goethe Text und Melos seiner Intuition folgend gehend auf und überläßt sich dem Wechselgesang einer immer gleichen melodischen Linie. Sie unterstützt den beständigen Wechsel seiner Bewegungsrichtung beim Gehen.
Das Bild des hin- und herschreitenden und sich in Text und Melos vertiefenden Dichters birgt jene Ambivalenz von Flucht und Zuwendung, die mit der fallenden melodischen Linie phänomenologisch verbunden ist. Das Melos wird zum Bewegungsraum. Die abwärtsgeführte Melodie der Klage bestimmt die Richtung der Schritte immer aufs neue zur Abkehr von einem zuvor angestrebten Ziel. An einfachen Kinderliedern ist die Verbindung von Melos und Bewegungsrichtung leicht nachzuvollziehen. Das Lied "Hänschen klein" handelt vom Versuch der Lösung des Kindes von der Mutter und von seiner Zuwendung und Öffnung gegenüber der "Welt". Die erste Liedzeile verbindet den Abschied von der Mutter mit einer in Terzen abwärtsgeführten Melodie. Die Zuwendung zur "weiten Welt" erhält die aufwärtsgeführte
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