- 435 -Merten, Jessica: Semantische Beschriftung im Film durch "autonome" Musik 
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15.  Exkurs: Das Zitat als Ausdruck historischer Beschriftung: Francis Ford Coppola: Apocalypse Now!

In einem letzten Schritt soll die Funktion eines Zitates im Spiegel seiner eigenen Rezeptionsgeschichte im Sinne einer »doppelten Beschriftung« dargestellt werden. Bisher bildete der ursprüngliche musikwissenschaftliche Kontext die Basis der dramaturgischen Argumentation. Anhand des Films Apocalypse Now, in dem Coppola den Angriff der Hubschrauber-Staffel mit Wagners »Walkürenritt« unterlegt, bietet sich in der abschließenden Konsequenz die Möglichkeit, einen Blick auf die mehrfache filmische Verwendung eines Zitates respektive deren Konsequenzen zu werfen.

Francis Ford Coppolas vierjähriges work in progress brachte die Bestätigung der alten Geschichte – »Krieg ist die Hölle!«. Coppolas Vision der Hölle ist eng an Joseph Conrads Novelle Heart of Darkness1

1 Joseph Conrad: Heart of Darkness (with the Congo Diary). Harmondsworth 1995.
angelehnt, erschienen im Jahre 1899. Die Erzählung spielt im Kongo während der Kolonialzeit. Neben Conrads Vorlage benutzte Coppola die Vietnam-Reportagen des Kriegskorrespondenten Michael Herr.

Vietnam, Ende der sechziger Jahre. Der Krieg ist auf seinem Höhepunkt. Captain Willard (Martin Sheen) erhält den Auftrag, Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) im Dschungel aufzuspüren und zu liquidieren. Kurtz, ehemals ein hochdekorierter Elitesoldat, stellt sich gegen die amerikanische Politik der Kriegsführung. Er hat sich selbst zum Gott eines Eingeborenenstammes im Herzen des Dschungels gemacht und führt als eine Art Privatkrieg ein gandenloses Schreckensregime. Auf einem Patrouillenboot fährt Willard den Nam-Fluß nach Kambodscha hinauf. Mit ihm auf dem Boot sind: Chief Philipps, Lance Johnson, Surfchampion aus Kalifornien; Chef, ein Koch aus New Orleans; Clean, ein junger Schwarzer aus der Bronx. Die Fahrt durch den Dschungel wird in Anlehnung an die literarische Vorlage auch für Willard zu einer Konfrontation mit der makaberen Realität – und mit sich selbst. Sie wird zur Frage nach der Grenze zwischen Gut und Böse, zwischen dem Krieg als Mittel, politische Ziele durchzusetzen, und der Verselbständigung entfesselter Allmachtsphantasien, die nicht mehr zu kontrollieren sind.2

2 Tim Darmstädter: »Apocalypse Now.« In: Töteberg 1995, S. 37.
Wie bei Conrad gerät Willards Reise zu seinem Alter ego zu einem alptraumhaften Taumel in eine von Grauen beherrschte Unterwelt, eine Nachtwelt der Vernunft, in der die Normen der Zivilisation außer Kraft gesetzt sind. Indem Willard sich der Person Kurtz’ anhand des Dossiers nähert, taucht er zunehmend ein in die Abgründe seiner eigenen Seele, eine Grenzüberschreitung, die ihn an den Rand der Selbstzerstörung führt.

Er trifft auf Lieutenant Colonel Kilgore (Robert Duvall), der zu den Klängen von Wagners »Walkürenritt« mit seiner Hubschrauber-Staffel ein vietnamesisches Dorf »ausradiert«


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