1. »Filmmusik«: Theorien und ästhetische Modelle
Zur Begriffsbestimmung und formalen Charakterisierung von Filmmusik werden in
vielen wissenschaftlichen Ausführungen immer wieder gerne die historischen
»Klassiker« der Filmtheorie bzw. der Filmmusiktheorie herangezogen, die heute noch
zum Teil Gültigkeit beanspruchen. Da ihre Ausführungen in vielen Aspekten
auch für diese Arbeit nicht ganz unerheblich sind, sollen sie daher auch hier
zunächst erörtert werden. Die folgenden ästhetischen Modelle betreffen sowohl eine
phänomenologische wie auch in Ansätzen eine funktionale Charakterisierung
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1 Der Aspekt der Funktionalität von Filmmusik soll hier im Hinblick auf Kapitel 4, Zur
dramaturgischen Funktionalität von Filmmusik, nur kurz erläutert werden.
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von Filmmusik. Demgegenüber werden anschließend zeitgenössische Autoren
besprochen.
1.1. Sergej M. Eisenstein: Manifest zum Tonfilm
Eisensteins Tonfilmmanifest vom 5. August 1928, mitunterzeichnet von Pudowkin
und Alexandrow, ist ein Appell, das unvermeidlich realistische Moment des
Tons – so auch der Musik im Film – dadurch zu neutralisieren, daß es als
Montage-Element dem Stummfilmkonzept einverleibt wird. Gegenwärtig (d.h. 1928)
übe der mit visuellen Bildern arbeitende Film einen mächtigen emotionalen
Effekt auf die Menschen aus und habe berechtigterweise eine der führenden
Positionen unter den Künsten eingenommen. Das elementarste und einzige
Mittel, das dem Film eine solche Kraft verliehen hat, so Eisenstein, sei die
Montage.2
2 Sergej M. Eisenstein/Wsewolod I. Pudowkin/Grigorij W. Alexandrow: »Manifest zum
Tonfilm.« In: Franz-Josef Albersmeier: Texte zur Theorie des Films. Stuttgart 1990,
S. 42.
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Die Anerkennung der Montage ist für Eisenstein zum unbestreitbaren Grundsatz
geworden, auf dem eine weltweite Filmkultur erreichtet wurde. Die Erfindung des Tons
ist von großer Wichtigkeit. Doch für Eisenstein ist der Ton eine zweischneidige
Erfindung. Zum einen sei es sehr gut möglich, daß er sich auf dem Wege des geringsten
Widerstandes weiterentwickelt – »auf dem Wege der Befriedigung einfacher Neugier« -
zum anderen liegt für ihn die Zukunft des Tonfilms als eine der »verkaufsträchtigen
Waren« vor allem in der »kommerziellen Ausbeutung.«
Was die Stellung des Tones bzw. der Musik im Film anbelangt, so behauptet
Eisenstein, daß jegliche Übereinstimmung zwischen dem Ton und einem visuellen
Montage-Bestandteil dem Montagestück nur schaden würde, indem es dieses
von
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