- 202 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Parallelen zwischen den Proportionen der Schwingungsverhältnisse verschiedener Intervalle und denen von Planetenbahnen (Flatischler 1984, S. 75f.). Er versteht sein Buch »Die vergessene Macht des Rhythmus: TA KE TI NA – der rhythmische Weg zur Bewußtheit« als »Übungsbuch« (ebd., S. 12), als konkrete Anleitung zur Verbesserung rhythmischer Fertigkeiten. Der Zugang geschieht dabei über Körper und Stimme. Flatischler beschreibt sein intensives Studium der Musikrhythmen außereuropäischer Kulturen so:

In diesen Zeiten gab es für mich stets ein Instrument, mit dem ich die neue Rhythmuswelt am schnellsten nachahmen konnte. Es war das Instrument des eigenen Körpers. Mit der Stimme gelang es mir bald, die Rhythmen umzusetzen, die ich hörte. Mit den Händen konnte ich Akzente setzen und Gliederungen spürbar machen, im Gehen verkörperte ich mir die Grundpulsationen der neuen Rhythmen. Wo immer ich mich gerade befand, mit dem Instrument meines Körpers konnte ich lernen und üben. (ebd., S. 80).

Er verweist darauf, dass die Praxis, Notenwerte mit Silben zu benennen in verschiedenen Kulturen fest verwurzelt ist. Den Lernenden erklärt der Autor zutreffend: »Mit ihrer Hilfe kannst Du rhythmische Quantitäten ohne den Denkprozeß des Zählens erfassen.« (ebd., S. 20). Die Ebene der Abstraktion, der vorrangigen Beanspruchung kognitiver Fertigkeiten, steht also nicht im Vordergrund. Gleichwohl widmet sich Flatischler ausführlich der Darstellung von (durchaus auch komplizierten) Proportionen. Auch die Beanspruchung motorischer Fertigkeiten spielt eine bedeutsame Rolle, erklärtes Ziel ist,

daß die Ebenen von Stimme, Händen und Füßen voneinander unabhängig werden und ihr rhythmisches Eigenleben entfalten. Erst dann sind sie fähig, miteinander in eine Beziehung zu treten, in der auf jeder Ebene ein anderer Rhythmus hörbar und spürbar wird. Haben wir einmal diesen Punkt erreicht, dann erleben wir das überwältigende Gefühl, drei verschiedene Rhythmen im Körper zu spüren, die zusammen eine neue Ganzheit ergeben. (ebd., S. 98).

Flatischlers Ansatz findet sich in großer Übereinstimmung mit den im vorliegenden Zusammenhang dargelegten Erkenntnissen, wenn er vom menschlichen Körper, von der Rhythmizität von Herzschlag, Atem, Stimme und Bewegung ausgeht. Allerdings entbehrt seine Methode einer entwicklungspsychologischen Dimension. Zielgruppe sind erwachsene Menschen mit gut entwickelten motorisch-koordinativen Fertigkeiten, deren Interesse sich auf den Umgang mit komplexen außereuropäischen Rhythmen erstreckt.

Peter Giger: Die Kunst des Rhythmus

Peter Giger bestimmt seinen Standpunkt im Vorwort von »Die Kunst des Rhythmus« (Giger 1993) deutlich:

In der abendländischen Kunstmusik ist die Rhythmik und die Polymetrik nicht sehr entwickelt. Erst die Jazzmusik enthüllt dem Europäer rhythmische Eleganz und Fertigkeit, gepaart mit einer schlichten, entspannten, freien und sehr persönlichen Innerlichkeit im künstlerischen Ausdruck. (ebd., S. 9).


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