- 140 -Lehmann, Silke: Bewegung und Sprache als Wege zum musikalischen Rhythmus 
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Zentrum ausüben, da die Sprachbildung mit dem Sprachverständnis untrennbar verbunden ist. (Trepel 1999, S. 220).

Gottfried Schlaug und seine Mitarbeiter konnten zeigen, dass Musiker mit absolutem Gehör ein vergrößertes so genanntes Planum Temporale aufweisen, diese gut lokalisierbare Stelle des Schläfenlappens ist deckungsgleich mit dem Wernicke-Zentrum. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass zumindest die exakte Tonhöhenverarbeitung von Musik im Bereich der Sprachwahrnehmung lokalisiert ist.

Musik wird (auch) in sprachverarbeitenden Hirnarealen entschlüsselt.

In jüngerer Zeit mehren sich allerdings die Erkenntnisse, dass die linke Hemisphäre nicht ausschließlich und allein für die Sprachverarbeitung zuständig ist. Auch in der rechten Hirnhälfte laufen sprachbezogene Prozesse ab.

Sprachverarbeitung in der rechten Hemisphäre

Für die so genannte nicht-dominante Hirnhälfte (bei den allermeisten Menschen rechts) konnte mit bildgebenden Verfahren gezeigt werden, dass gleichzeitig mit den sprachverarbeitenden Arealen der linken Hirnhälfte auch Teile der rechten Hemisphäre aktiv sind. Diese liegen denen der linken Hemisphäre in der Regel symmetrisch gegenüber und betreffen besonders Aufgaben, die das Sprachverständnis beanspruchen (vgl. Poeck 1995). Offensichtlich werden hier die prosodischen (also musikalischen) Anteile der Sprache verarbeitet (vgl. auch Trepel 1999, S. 220). Angela Friederici und Anja Hahne (2000) weisen darauf hin, dass die rechte Hirnhälfte besonders an der Entschlüsselung auf Satzebene beteiligt ist (ebd., S. 279), also eher großräumig arbeitet, nicht auf kleine Segmente bezogen. Katharina Müller formuliert:

Die ›Spezialität‹ der rechten Hemisphäre scheint infolge aller genannten Untersuchungen die Erfassung figuraler, gestalthafter Sachverhalte auf intuitive, nichtsprachliche, ganzheitliche Weise zu sein […]. Die rechte Hemisphäre, die Informationen zwar verfügbar hat, jedoch nicht verbalisieren kann, verfügt offensichtlich über ein beträchtliches Sprachverständnis (Müller 1998, S. 58).

Bruhn verweist darauf, dass besonders die Vokale – die gegenüber den Konsonanten mehr zum Sprachklang beitragen – in der rechten Hemisphäre verarbeitet werden (vgl. Bruhn 1989, S. 97).

Es sei im Zusammenhang mit der Lateralisation von Sprache noch einmal auf die Sprachentwicklung verwiesen. Informationsträger sprachlicher Laute sind zunächst ihre Melodie, ihr Rhythmus, ihre Phrasierung oder ihre Klangfarbe. Folglich mag es nicht verwundern, dass der rechten Hemisphäre eine besondere Bedeutung im Spracherwerbsprozess zukommt. Erst nach dem ersten Lebensjahr verschiebt sich die Funktionalität in Richtung der linken Hirnhälfte (vgl. Friederici und Hahne 2000, S. 290). Passend zu dem erwähnten Befund, dass die rechte Hemisphäre besonders auf Satzebene tätig sei, muss daran erinnert werden, dass der Sprachlernprozess von den großen zu den kleinen Einheiten fortschreitet. Die Aufmerksamkeit richtet sich zunächst auf die Sätze, dann erst auf Satzteile, Wörter oder Phoneme (vgl. Penner 2000, S. 116; vgl. auch Abschnitt 5.1.1).


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