7. Schlussbetrachtung und Ausblick
Klassische Musik fungierte zu Mozarts Lebzeiten in Wien als eine Art verbindendes Element
zwischen den unterschiedlichen Ständen, wie der Musikwissenschaftler Ludwig Finscher
berichtet.1
Vgl. Finscher (1996) 235.
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Diese Funktion scheint bei ihrem Einsatz am Hamburger Hauptbahnhof – wo sie in
Verruf geraten ist, ein Vertreibungsinstrument unliebsamer Randgruppen zu sein –
ins Gegenteil verkehrt. Wie gezeigt wurde, ist es nicht sehr wahrscheinlich,
dass die Beschallung wirklich eine nennenswerte Rolle bei der Vertreibung der
Junkies vom Hachmannplatz gespielt hat. Plausibler erscheint es, dass sie – als
akustisches Zeichen – anderen Gruppen, die nicht ins Bild eines »sauberen
Bahnhofs« passen wollen (z. B. Obdachlosen), signalisiert: »Hier gehöre ich nicht
hin.« Solch eine Wirkungsweise rückt die Musikbeschallung in die Nähe von
Videoüberwachungen, die gleichfalls eine Subjektivierung bewirken, indem sie – als
sichtbares Zeichen – die Überwachten zur Selbstkontrolle des eigenen Verhaltens
aufruft.2
Vgl. auch Krasmann (2002).
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Tatsächlich ist am Bahnhofsvorplatz ein Korrelieren der Musikbeschallung mit der
Verschärfung diverser weiterer »Ordnungsmaßnahmen« festgestellt worden
(Kapitel 3.3). Hier wird ein Zusammenhang vermutet. So erscheint es für weitere
Arbeiten auf diesem Gebiet lohnenswerter – anstatt zu versuchen, der wohl
eher subtilen Wirkung z. B. durch Befragungen auf die Spur zu kommen – in
einer vergleichenden Untersuchung mehrerer beschallter öffentlicher Orte einen
Zusammenhang zwischen Musikbeschallung und (z. B.) Videoüberwachung zu
überprüfen. Über die tatsächliche »Effizienz« der Beschallung am Hamburger
Hauptbahnhof kann letztlich nur spekuliert werden, sie lässt sich kaum aus den anderen
Maßnahmen »herausdividieren«. Das eigentliche Thema ist dabei ohnehin weniger die
spezifische Rolle, die der Musik dabei zukommt, sondern Ausgrenzung und
Kriminalisierung unliebsamer Personen in urbanen öffentlichen Räumen als ein ganz reales
Phänomen, das sich auch in vielen anderen westlichen Industrienationen beobachten
lässt.3
Dies ist natürlich Vgl. auch Body-Gendrot (2000), Grossberg (2000) 206–230,
Ludwig-Mayerhofer (2000), Peters (2000).
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Trotzdem ist z. B. in vielen Zeitungsartikeln meist nur von der Musik selbst die Rede.
So zeigt sich auch: die Klassik-Beschallung »verschönert« nicht nur die beschallten
Räume, sondern sie »beschönigt« auch die Diskussion. Auf dieser Ebene vermag sie viel
stärker von der Realität abzulenken als bei ihrem konkreten Einsatz vor Ort,
womit die in Kapitel 4.4.1 (unter Vorbehalt) zitierte Kritik Adornos – an einem
ideologisch geprägten Umgang mit Musik – hier doch wieder einige Relevanz
gewinnt.
Jegliche öffentlichen Spekulationen über die Wirksamkeit der Musik als ein probates
Mittel sozialer Kontrolle sind letztlich auch kostenlose Marketingmaßnahmen
für die Anbieter funktioneller Hintergrundmusik, in diesem Falle die Firma
Muzak.
Die Beschallung ist auch Ausdruck einer Vereinheitlichung der Lautsphären, denn der
»Klang« von Bahnhofsvorplatz und U-Bahn-Stationen ist ähnlicher geworden.
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