schlussendlich erklingt aus den
Lautsprechern Musik und nicht etwa eine Endlosschleife mit der Aufforderung
»Obdachlose, Junkies und andere Unruhestifter verlassen bitte diesen Bereich!« Es steht
also gleichwohl jedem frei, einen semiotischen Verweis auf den zugrunde liegenden
soziokulturellen Kontext der Musik herauszuhören oder einfach der Musik selbst
zuzuhören und dabei die möglichen Implikationen, die mit einem tradierten »Image«
der Klassik zu tun haben, zu ignorieren. Es steht jedoch fest, dass durch die
Vermittlungsweise in Form einer »environmental Klassik« überhaupt erst eine der
wenigen denkbaren Möglichkeiten eröffnet wird (abgesehen von Film- und Werbemusik),
ein genregebundenes »Image« erklingender Musik selbst zur Botschaft zu machen. Denn
in den meisten Fällen besitzen die Images unterschiedlicher Musikrichtungen nur
Relevanz, wenn die Genre-Bezeichnungen Gegenstand verbaler Kommunikation
sind.
Durch die Non-Stop-Beschallung kann jedoch z. B. ein Obdachloser damit rechnen, dass am Hachmannplatz jederzeit Klassik (im weiteren Sinne) erklingt, und dies entweder als dezenten Hinweis auf das »Unerwünscht-Sein« seiner Anwesenheit in diesem Bereich deuten und ihn meiden oder eben nicht. So hat die Musikbeschallung streng genommen nur ein »indirektes« Vertreibungspotential. Sie vermag wohl kaum, den beschallten Raum durch das Hervorrufen starker Aversionen bei bestimmten sozialen Gruppen zu kontrollieren. Stattdessen vermag sie einen Aufruf zur »Selbstkontrolle« zu transportieren, den Appell, diesen Bereich von vornherein zu meiden. Wie auch bei der Auffassung der Beschallung als Hintergrundmusik (im vorherigen Kapitel) sind auch hier wieder Habitualisierungseffekte zu erwarten. Hier allerdings nicht solche, die mit der Dauer der Berieselung zu tun haben, sondern solche, die aus allzu vielen »Klassik-Zonen« in der Stadt resultieren mögen. Hier ist es also eine raumbezogene Habitualisierung, die eine Wirksamkeit der Beschallung vermindern könnte. |