- 86 -Klußmann, Jörg: Musik im öffentlichen Raum 
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Vgl. Glashoff (1998) 96–98.
Darüber hinaus werden bei Klassik-Radio – zumindest tagsüber – die erklingenden Werke meist angekündigt. Außerdem ist das Programm von Klassik-Radio nicht auf Instrumentalstücke beschränkt. Interessanter als die enthaltenen Werke sind jene, die hier nicht vorkommen. So ist z. B. selbst der berühmte erste Satz aus Beethovens 5. Sinfonie allein angesichts seiner »dynamischen Sprengkraft« in diesem Zusammenhang kaum denkbar. Julian Johnson beschreibt die Eigenschaften von Musik aus dem »klassischen Repertoire« (im weiteren Verständnis), die sich für einen Einsatz als Hintergrundmusik eignet:

»The best music for this purpose tends towards what baroque theory called ›unity of affect‹ – in other words, music that tends to create one mood or emotion doing one main thing. Movements of baroque concertos exemplify this, as do most pop ballads [...]. Certain pieces of classical and romantic music have this quality [...], but a great many do not.«78

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Johnson (2002) 35.

Kaum geeignet für eine Hintergrundbeschallung sind somit Werke, die allzu diskursiv mit dem zugrunde liegenden musikalischen Material verfahren, in denen z. B. eine breite motivische Entwicklung angelegt ist. So erklärt sich wohl auch die hier dürftige Repräsentation von sinfonischen Formen (innerhalb der identifizierten Stücke): mit dem Ausschnitt aus der »Symphonie Fantastique« (M20) ist überhaupt nur ein einziges Werk enthalten. Doch gerade ein diskursiver Umgang mit dem Material, eine Entfaltung von Form und Inhalt, die es nötig macht, klassische Werke in voller Länge zu hören, sind die Hauptkriterien, die klassische Musik als Kunstmusik z. B. von vielen Popsongs unterscheiden. Johnson schreibt:

»Its formal consistency is part of the music’s meaning. [...] Classical music can be and often is used in other ways, but then the music is not valued for itself but as a sign for something else.«79

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Johnson (2003) 39.

Rolf Großmann hat anhand von Schumanns »Träumerei« (hier M7) gezeigt, wie in einem gemeinhin der sog. E-Musik zugerechneten Werk die Möglichkeit zu einer »polyvalenten Rezeption« bereits angelegt ist. In diesem Falle sind es vor allem klare Liedstruktur und eine einfache motivische und harmonische Gestaltung, die – auch ohne eine Änderung des Arrangements – eine Komplexitätsreduktion bei der Rezeption der »Träumerei« (z. B. gemäß des Wahrnehmungsklischees »Ballade«) ohne weiteres ermöglichen.80

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Vgl. Großmann (1991) 159–169.

Neben der Selektion der Stücke ist hier vor allem auch der geänderte Zeitbezug interessant. Mag der Timecode an einigen Stellen auch problematisch sein (s. o.), so bestätigen auch stichprobenartige Besuche am Hachmannplatz, dass alle Stücke quasi pausenlos aneinander gereiht erklingen. Höchstens eine Sekunde dauert der Übergang zwischen zwei Titeln, z. T. werden Stücke bei Bedarf ein- oder ausgeblendet (INSERTS).

Die Vermittlungsweise von »klassischer Musik« ist hier in doppelter Hinsicht problematisch. Das »Material« stammt aus oder orientiert sich klangästhetisch


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